30.03.2020
Bericht

Unterrichtsentwicklung mit digitalen Medien in der Sekundarstufe II, der Hochschule und der Erwachsenenbildung – Sprachsensible Stundenkonzepte und ihre Gelingensbedingungen. Bericht und Materialien zum Praxisworkshop

Welche digitalen Medien und Tools sind für einen sprachsensiblen Unterricht geeignet? Inwiefern unterstützen sie tatsächlich den Unterricht? Und welche Voraussetzungen müssen gegeben sein, damit ein solcher sprachsensibler und gleichzeitig digitaler Unterricht gelingen kann?

Diesen Fragen ging der Praxisworkshop zur Unterrichtsentwicklung mit digitalen Medien in der Sekundarstufe II, der Hochschule und der Erwachsenenbildung nach, der Teil der Jahrestagung des Mercator-Instituts war. Die Teilnehmenden, darunter vor allem Lehrkräfte, hörten vier Inputbeiträge im Plenum und diskutierten auf dieser Grundlage in zwei Gruppenarbeitsphasen.

Digitalisierung einer inklusiven Schule 

Im ersten Inputbeitrag erörterten die Referenten aus der Praxis, Andreas Niessen und Daniel Follmann, das pädagogische und digitale Konzept der derzeit entstehenden inklusiven Gesamt- und Universitätsschule und teilweise schon aktiven Heliosschule der Stadt Köln. Schülerinnen und Schüler der Heliosschule lernen, sich selbstständig fachliches Wissen zu erarbeiten. Dazu nutzen sie digitale Lernformate und innovative Lernräume, die Lehrkräfte speziell dafür schaffen. Die Schülerinnen und Schüler verwenden Shared iPads, mit denen sie z. B. QR-Codes abrufen können, die nicht in Klassenräumen, sondern in offenen Lernlandschaften organisiert sind. Oder sie bearbeiten Texte über die App Bookcreator. Die Domain, auf der die Lernenden mit einem eigenen Login arbeiten, wird von der Schule verwaltet. Auch die Lehrkräfte der Heliosschule nutzen für die Arbeit im Kollegium digitale Tools, vor allem Google Suite for Education. Der Schulleiter Andreas Niessen betonte in seinem Vortrag, dass Teamarbeit unabdingbar sei, um ein solches innovatives Schulkonzept erfolgreich in der Praxis umzusetzen.

Digitale Lernmaterialien und ihre Bewertung

Dr. Alexandra Habicher, Fakultätskoordinatorin am Zentrum für LehrerInnenbildung der Universität zu Köln, stellte im Anschluss unterschiedliche digitale Medien und Tools wie z. B. MySimpleShow vor und ging auf die Vor- und Nachteile einzelner digitaler Angebote für den Unterricht ein. Um zu bewerten, ob sich einzelne Tools und Medien für den eigenen Unterricht eignen, sollen Lehrkräfte – der Referentin zufolge – stets die Zielgruppe, den Zeitaufwand, den Schwierigkeitsgrad und die Kosten beachten. Es sei nicht sinnvoll, betonte Habicher, Tools grundsätzlich zu empfehlen oder abzulehnen, da die digitalen Angebote sich in einem stetigen Wandel befinden und überarbeitet oder durch neue, besser geeignete Tools und Medien ersetzt werden. Stattdessen empfiehl die Expertin in dem Workshop, (angehende) Lehrkräfte dazu zu befähigen, selbst nach geeigneten digitalen Tools und Medien zu recherchieren und diese eigenständig zu bewerten.  

Sprachsensiblen Unterricht mit digitalen Medien vorbereiten

In einem weiteren Inputvortrag stellte Dr. Monika Socha den Methodenpool für sprachsensiblen Fachunterricht des Mercator-Instituts für Sprachförderung und Deutsch als Zweitsprache vor. Das ist eine Suchmaschine, die Methodenvorschläge für Lehrkräfte enthält. Durch die Auswahl von sprachlichen Zielen, Altersgruppen usw. werden die Methoden nach ihrer Eignung angezeigt und in Handouts übersichtlich erläutert. Das Tool unterstützt Lehrkräfte aller Schulformen und Fächer dabei, geeignete sprachliche Hilfen bereitzustellen und Unterrichtsinhalte zielgerecht sprachsensibel aufzubereiten. Um eine passende Methode für die Klasse zu finden, sollten Lehrkräfte vor der Suche im Methodenpool die sprachlichen Anforderungen der Unterrichtsinhalte und des Materials sowie die sprachlichen Fähigkeiten der Lernenden klären, so die Referentin. 

Jede Reise beginnt mit einem ersten Schritt – erfolgreiche Unterrichtsprojekte

Der Referent Christian Schreger (Volksschule Ortnergasse Wien) ist Lehrkraft und arbeitet seit vielen Jahren mit Kindern, die einen Migrationshintergrund haben und aufgrund dessen mehrere Sprachen sprechen. Er stellte in dem Workshop einige seiner erfolgreichen, digitalen Unterrichtsprojekte vor, z. B. das Welt ABC. Dabei handelt es sich um eine Website, auf der Begriffe in Bildern, Adjektiven und Beispielsätzen erläutert werden und in verschiedenen Sprachen sowohl aufgeschrieben als auch eingesprochen sind. Auch die Kleinen Bücher, die Schülerinnen und Schüler im ersten Schritt zu einem von ihnen gewählten Thema schreiben und malen und sie dann im zweiten Schritt vor der Kamera vorlesen, gehören zu diesen Projekten. Die präsentierten Angebote und Tools lassen sich auch in höheren Klassenstufen umsetzen. Schreger ermutigte die Teilnehmenden des Workshops, Schülerinnen und Schülern Freiheiten bei der Themenwahl und Ausgestaltung solcher digitalen Projekte zu lassen. 

Digitale Tools und Medien kennenlernen und für den Unterricht nutzen 

In den Gruppenarbeitsphasen innerhalb des Workshops machten sich die Teilnehmenden mit verschiedenen digitalen Angeboten für den Unterricht vertraut und diskutierten, welche der Angebote für einzelne Unterrichtsszenarien infrage kommen. Auf besonderes Interesse stieß dabei Etherpad – ein Programm, mit dem mehrere Personen an einem Text arbeiten, einander Kommentare hinterlassen oder Korrekturen vornehmen können. Teilnehmende aus berufsbildenden Schulen sahen den Nutzen von digitalen Tools und Medien vor allem in der Netzwerkarbeit zwischen den Schulen. Mithilfe der Technologien lassen sich ihnen zufolge eine bessere Kommunikation schaffen und gemeinsame Unterrichtskonzepte entwickeln. 

Im Laufe des Workshops zeigte sich, dass die Teilnehmenden unsicher sind, inwieweit sie digitale Tools und Medien nutzen dürfen, ohne gegen den Datenschutz zu verstoßen. Ideen zum Einsatz digitaler Medien und Tools sind den Teilnehmenden zufolge zwar vorhanden, die Skepsis von Eltern, Schule und Stadt im Hinblick auf Datenmissbrauch (z. B. bei Google-Angeboten) verhindern aber eine digitale Schul- und Unterrichtsentwicklung. Darüber hinaus zeigte sich, dass es einen Bedarf gibt, Schulen und Eltern über Datenschutzbestimmungen aufzuklären, damit diese die digitalen Angebote nicht voreilig ablehnen. 

Autorin: Dr. Monika Socha entwickelte den Methodenpool für sprachsensiblen Fachunterricht am Mercator-Institut mit und ist Redakteurin im Programm Bildung durch Sprache und Schrift (BiSS).