30.03.2020
Bericht

Unterrichtsentwicklung mit digitalen Medien in der Primarstufe und Sek I – Sprachsensible Stundenkonzepte und ihre Gelingensbedingungen. Bericht und Materialien zum Praxisworkshop

Welche digitalen Medien, Tools und Konzepte können Lehrkräfte für die Planung und Durchführung sprachsensiblen Unterrichts in der Primarstufe und Sekundarstufe I einsetzen? Wie können Lehrkräfte die Eignung der digitalen Angebote für das Unterrichtsvorhaben bewerten? Und welche sprachlernförderlichen Unterrichtskonzepte lassen sich mithilfe digitaler Medien verwirklichen?

 Mit diesen und weiteren Fragen beschäftigte sich der Praxisworkshop zur Unterrichtsentwicklung mit digitalen Medien im Rahmen der siebten Jahrestagung des Mercator-Instituts, der sich vorrangig an Lehrkräfte der Primarstufe und Sekundarstufe I richtete und eine konstruktive Vernetzung mit Vertreterinnen und Vertretern der Wissenschaft und Bildungsverwaltung ermöglichte. Ziel des Workshops war es, Unterrichtsentwicklung mit digitalen Medien aus unterschiedlichen Perspektiven zu beleuchten und sowohl innovative Konzepte und Ideen als auch Hürden sowie Handlungs- und Forschungsbedarf offenzulegen und zu diskutieren. Die Praxis- und Diskussionsphasen des Workshops begleiteten Referentinnen und Referenten mit vier Inputvorträgen, mit denen sie die Reflexion über die vielfältigen Möglichkeiten anstießen, die digitalgestützter Unterricht bietet.

Vielfalt digitaler Medien im Unterricht und ihre Qualitätsbewertung

Mithilfe des kollaborativen Tools Padlet sammelte die Workshop-Leiterin zunächst erste Erfahrungen der Teilnehmenden mit dem Einsatz digitaler Medien im Unterricht sowie offene Fragen zu diesem Bereich. Dabei zeigte sich, dass sowohl die Vorerfahrungen in der unterrichtlichen Nutzung digitaler Tools als auch damit verbundene Fragen unter den Teilnehmenden stark variierten. Da dieses Bild auch die Realität an Schulen widerspiegeln dürfte, verdeutlicht es somit einmal mehr die Komplexität und Relevanz des Workshop-Themas.

Den Workshop eröffnete die erste Referentin mit einem Überblick über digitale Lernmaterialien des Zentrums für LehrerInnenbildung der Universität zu Köln. Sie stellte sowohl Möglichkeiten vor, mit denen Lehrkräfte etwa Lernvideos oder Audioaufnahmen produzieren können, als auch schriftliche und multimediale Produkte, die sie kollaborativ und kooperativ erstellen können, sowie Plattformen, auf denen sie Unterrichtmaterial veröffentlichenundbereitstellen können.

Lehrkräfte können die unterschiedlichen Angebote und Tools mithilfe eines Analyseverfahrens in Hinblick auf ihre Eignung für den Unterricht bewerten. Hierbei sollten sie – neben infrastrukturellen Kriterien – auch inhaltliche sowie didaktisch-methodische Aspekte berücksichtigen und die Sichtweisen von Schülerinnen und Schülern sowie Eltern auf das Tool antizipieren. Zur Wiederholung oder Vertiefung dieser Angebote können Interessierte die kostenlosen Lernmodule des Universitätsverbunds für digitales Lehren und Lernen in der Lehrer/-innenbildung (digiLL) bearbeiten.

Autodigitales Tool AnyBook Reader  in Sprachbildung und -förderung

Zusätzlich zu ausgewählten Onlinetools, die die Workshop-Leiterin für den sprachsensiblen Unterricht vorstellte, lernten die Teilnehmenden in einem Inputvortrag von Dr. Evghenia Goltsev vom Mercator-Institut ein autodigitales Tool kennen, das in der Sprachbildung und -förderung vielseitige Anwendung finden kann: den AnyBook Reader – einen sprechenden Stift. Er unterstützt die Förderung des Schrift- und Orthographieerwerbs, der Aussprache, der Fähigkeit, Sprachlaute zu erkennen, des Wortschatzes sowie der Leseförderung. Zugleich bietet er Möglichkeiten zur Binnendifferenzierung und zum individualisierten sprachlichen Lernen. 

In der anschließenden Praxisphase erhielten die Teilnehmenden die Gelegenheit, sowohl den AnyBook Reader als auch die weiteren vorgestellten digitalen Online-Angebote zur Förderung sprachlicher Kompetenzen auszuprobieren. Hierzu zählten unter anderem Primolo, ein kindgerechtes Tool zur Erstellung von Webseiten, oder MySimpleShow, mit dem Lernende und Lehrkräfte auf einfache Weise Erklärvideos beispielsweise für Flipped Classroom-Szenarien erstellen können. Digitale sprachlernförderliche Produkte können beispielsweise Wikis, Erklärvideos oder digitale Lesetagebücher sein. 

MINTegration – Sprachsensibler Chemieunterricht mit Tablets

Ein digitalgestütztes Unterrichtskonzept für den sprachsensiblen Chemieunterricht präsentierte Prof. Dr. Amitabh Banerji von der Universität Potsdam im Workshop. Dieses führt neu zugewanderte Schülerinnen und Schüler mithilfe sprachlicher Hilfen, die auf Tablets multimedial (d. h. mit Bild-, Video- und Tonaufnahmen) dargeboten sind, an das naturwissenschaftliche Experimentieren heran. Beispielsweise können die Schülerinnen und Schüler auf Audio-Vokabellisten mit schwierigen (Fach-) Begriffen oder auf Videosequenzen für einzelne Arbeitsschritte zurückgreifen, damit sie die Versuchsanleitungen bei der Durchführung des Experiments besser nachvollziehen können. Das Konzept setzen Lehrende und Studierende im Lehrforschungsprojekt MINTegration ein, an dem neben dem Institut für Biologiedidaktik auch das Mercator-Institut für Sprachförderung und Deutsch als Zweitsprache, das Institut für Chemiedidaktik und das Zentrum für LehrerInnenbildung der Universität zu Köln beteiligt sind. Im Rahmen von MINTegration erproben Lehramtsstudierende ein digitalgestütztes Konzept sprachsensiblen Unterrichtens und evaluieren es anschließend.

Unterrichtsplanung mithilfe des Methodenpools für sprachsensiblen Unterricht

Als digitales Tool zur Unterrichtsplanung kann der Methodenpool für sprachsensiblen Fachunterricht des Mercator-Instituts dienen. Dieser unterstützt Lehrkräfte aller Schulformen und Fächer dabei, geeignete sprachliche Hilfen bereitzustellen und Unterrichtsinhalte zielgerecht sprachsensibel aufzubereiten. Es handelt sich dabei um eine Suchmaschine, die Methodenvorschläge für Lehrkräfte enthält. Durch die Auswahl von sprachlichen Zielen, Altersgruppen usw. werden die Methoden nach ihrer Eignung angezeigt und in Handouts übersichtlich erläutert.

Die Teilnehmenden waren sehr motiviert, die digitalen Angebote für den eigenen sprachsensiblen Unterricht kennenzulernen, zu erproben und sich über mögliche Einsatzmöglichkeiten auszutauschen. Darüber hinaus stellten einige von ihnen eigene digitale Projekte vor (z. B. ein Klassen-Wiki), um den übrigen Teilnehmenden Impulse für die Praxis zu geben.

Herausforderungen und Bedarfe in der Schulpraxis

Im Verlauf des Workshops zeigten sich auch offene Punkte, Herausforderungen und Bedarfe. Fragen haben die Teilnehmenden insbesondere zu datenschutzrechtlichen Bestimmungen und wie sie an Schulen damit umgehen können. Darüber hinaus ist es ihnen zufolge notwendig, eine öffentliche Plattform zum Austausch von und über verfügbare (sprachlernförderliche) digitale Tools und Konzepte zu schaffen, die für die Arbeit an den Schulen hilfreich wäre. In den Diskussionen äußerten sie außerdem Forschungsbedarf in Hinblick auf die Wirksamkeit (digitaler) sprachsensibler Unterrichtskonzepte sowie ihre Auswirkungen auf analoge Fähigkeiten.

Autorin: Ilka Huesmann ist wissenschaftliche Mitarbeiterin am Mercator-Institut und zuständig für die Entwicklung von Online-Tools für die Planung und Umsetzung sprachsensiblen Unterrichts.