
Scaffolding
Dieses Basiswissen widmet sich dem Prinzip des Scaffoldings im Kontext sprachlicher Bildung und legt die Bausteine des Makro- und Mikroscaffoldings dar. Zudem veranschaulicht es neben der Verortung des Scaffolding-Ansatzes als Bestandteil durchgängiger sprachlicher Bildung auch die Umsetzung in der Unterrichtspraxis.
Definition
Scaffolding (von engl. Scaffold (Gerüst) → „sprachliche Gerüste bauen“) im Kontext sprachlicher Bildung wird verstanden als ein Unterrichtsprinzip, dessen Anwendung die kommunikative Handlungsfähigkeit von Lernenden mithilfe von zeitlich begrenzten sprachlichen Hilfen erweitern soll. Lehrkräfte konfrontieren die Lernenden mit hohen Herausforderungen, und bieten zugleich eine hohe Unterstützung an. Lernende sind somit in der Lage, sprachliche Anforderungen zu bewältigen, die sie ohne Scaffolds nicht lösen könnten. Die sprachlichen Hilfen werden demnach bedarfsorientiert angeboten und die Gerüste nach und nach wieder abgebaut, wenn die Lernenden das entsprechende kommunikative Kompetenzziel erreicht haben.
Bausteine des Makro- und Mikroscaffoldings
Mit Bezug auf die konkrete Unterrichtsplanung und -gestaltung lässt sich zwischen Makro- und Mikroscaffolding unterscheiden (vgl. Gibbons, 2002). Das Makroscaffolding ist der Unterrichtsvorbereitung zuzuordnen und umfasst die drei Bausteine (1) Bedarfsanalyse, (2) Lernstandsanalyse und (3) Unterrichtsplanung, das Mikroscaffol- ding bezieht sich (4) auf die Unterrichtsinteraktion (vgl. Gibbons, 2002).
Konkret ergibt sich daraus ein didaktischer Dreischritt (vgl. Mercator Institut o. J., S. 10):
1. Bedarfsanalyse: Die Lehrkraft ermittelt die sprachlichen Anforderungen mit Fokus auf die fachlichen Lernziele. Leitfrage: Welche sprachlichen Mittel (rezeptiv und produktiv) sind erforderlich, damit Lernende sich die fachlichen Kompetenzen aneignen können?
2. Lernstandsanalyse: Die Lehrkraft schätzt die sprachlichen Fähigkeiten der Schülerinnen und Schüler ein. Leitfrage: Welche sprachlichen Fähigkeiten bringen die Lernenden in Deutsch und/oder anderen Sprachen in Bezug auf die Anforderungen mit?
3. Unterrichtsplanung und Unterrichtsinteraktion: Die Lehrkraft hält während des Unterrichts sprachliche Hilfen bereit. Leitfrage: Welche Hilfen unterstützen die Lernenden dabei, die sprachlichen Anforderungen zu bewältigen?
Der dritte Schritt wird demnach während der Unterrichtsplanung (Makroebene) sowie bei der sprachlichen Interaktion im Unterricht (Mikroebene) realisiert. So sollten der Sprachstand der Lernenden und die sprachlichen Anforderungen der inhaltlichen Zielsetzung sowohl bei der Auswahl von Texten, Methoden und Hilfestellungen etc. berücksichtigt werden als auch bei der konkreten Interaktion im Unterricht. Letztere bezieht sich beispielsweise auf die Sprechgeschwindigkeit, die genutzten Begrifflichkeiten oder die Art und Weise des Einsatzes korrektiven Feedbacks.
Bei allen drei Schritten sollten Lehrkräfte zudem die Mehrsprachigkeit der Lernenden berücksichtigen: Welche sprachlichen Kompetenzen sind im Klassenzimmer vorhanden und wie können sie diese nutzbar machen, um die fachlichen wie sprachlichen Ziele zu erreichen?
Scaffolding als Bestandteil durchgängiger Sprachbildung
Scaffolding steht inhaltlich in einem engen Zusammenhang mit einer durchgängigen Sprachbildung sowie einem sprachsensiblen Unterricht. Die drei Konzepte sind aber auf verschiedenen Ebenen zu verorten. Das Ziel einer durchgängigen Sprachbildung ist eine sprachliche Bildung in allen Fächern, über alle Bildungsetappen hinweg und in unterschiedlichen (Familien-)Sprachen der jeweils Lernenden (vgl. Gogolin & Lange, 2011). Eine Konsequenz dieses Anspruchs ist die sprachsensible Gestaltung des Fachunterrichts (vgl. Woerfel & Giesau, 2018). Ein konkretes didaktisches Prinzip des sprachsensiblen Unterrichts wiederum ist das Scaffolding.
Sprachliche Hilfen in der Unterrichtspraxis
Die Sequenzierung und Gestaltung des Unterrichts führt nach dem Scaffolding-Ansatz auf fachlicher Ebene vom Konkreten zum Abstrakten (z. B. von der konkreten Beobachtung, dass Wasserdampf an kaltem Metall zu flüssigem Wasser wird, zum allgemeinen Prinzip der Kondensation) und auf sprachlicher Ebene von der Alltagssprache zur Bildungssprache (z. B. von „das Metall wird ja nass“ zu „der Wasserdampf kondensiert“). Ein anschauliches Beispiel dafür haben Quehl und Trapp (2013) anhand des Themas „Wasserkreislauf“ im Sachunterricht der Grundschule herausgearbeitet: Die Schülerinnen und Schüler setzen sich zunächst in arbeitsteiligen Experimenten unter Verwendung von Alltagssprache mit dem Lerngegenstand auseinander. Daran anschließend berichten sie sich gegenseitig von dem, was sie in den Experimenten beobachtet haben. In dieser Phase hält die Lehrkraft, basierend auf der Bedarfs- und Lernstandsanalyse, sprachliche Mittel auf Lernplakaten bereit, die es den Lernenden erleichtern, die nun höheren sprachlichen Anforderungen zu bewältigen. Auch die Lernenden selbst achten jeweils darauf, ob die sprachlichen Mittel, die sie im Unterrichtsgespräch verwenden, angemessen sind, indem sie bewusst zwischen einem bildungs- bzw. fachsprachlichen Wortschatz unterscheiden. Schließlich werden Schreibanlässe für die Lernenden geschaffen, die es ihnen ermöglichen, sich intensiv mit fachlichen Konzepten und sprachlichen Formen auseinanderzusetzen. Da dies mit hohen sprachlichen Anforderungen verbunden ist, können auch in dieser Phase sprachliche Hilfen (z. B. Schreibrahmen) im Sinne der bedarfsorientierten Unterstützung erforderlich sein.
Das Basiswissen Scaffolding als Download.
Autorin und Autor:
Dr. Ina-Maria Maahs & Dr. Christoph Gantefort
Diese Publikation darf, unter Einhaltung der gängigen Zitierregeln und mit Angabe der Quelle, gern weiterverwendet werden: Gantefort, Christoph & Maahs, Ina-Maria (2023): Scaffolding. Köln: Mercator-Institut für Sprachförderung und Deutsch als Zweitsprache (Basiswissen sprachliche Bildung).
Literatur
Gogolin, Ingrid & Lange, Imke (2011). Bildungssprache und Durchgängige Sprachbildung. In: S. Fürstenau und M. Gomolla (Hrsg.) Migration und schulischer Wandel: Mehrsprachigkeit (S. 107-128). Wies- baden: VS Verlag für Sozialwissenschaften.
Mercator-Institut für Sprachförderung und Deutsch als Zweitsprache (o. J.). DaZ-Modul: Reflexionsaufgabe zum Praxissemester und Planungshilfe. Verfügbar unter: https://www.mercator-institut-sprach-foerderung.de/fileadmin/Redaktion/PDF/Lehre/Reflexionsaufgabe_zum_Praxissemester__mit_Pla- nungshilfe_.pdf (abgerufen am 10.10.2022).
Quehl, Thomas & Trapp, Ulrike (2013). Sprachbildung im Sachunterricht der Grundschule – Mit dem Scaffolding-Konzept unterwegs zur Bildungssprache. Münster: Waxmann.
Woerfel, Till & Giesau, Marlis (2018). Sprachsensibler Unterricht. Köln: Mercator-Institut für Sprachförderung und Deutsch als Zweitsprache (Basiswissen sprachliche Bildung).>
Weiterführende Literatur/Informationen
BiSS-Transfer (o. J.). Scaffolding/Scaffolding im Fachunterricht nach Gibbons. Verfügbar unter: https:// www.biss-sprachbildung.de/btools/scaffolding-scaffolding-im-fachunterricht-nach-gibbons/ (abge- rufen am 22.12.2022).
Kniffka, Gabriele (2010). Scaffolding. ProDaZ. Verfügbar unter: https://www.uni-due.de/imperia/md/ content/prodaz/scaffolding.pdf (abgerufen am 25.08.2022).
Mercator-Institut für Sprachförderung und Deutsch als Zweitsprache (o. J.). Methodenpool für sprachsensiblen Fachunterricht. Verfügbar unter: https://www.mercator-institut-sprachfoerderung.de/de/publikationen/material-fuer-die-praxis/methodenpool/ (abgerufen am 25.08.2022).>
Bereits erschienen: Basiswissen sprachliche Bildung
Neu zugewanderte Schülerinnen und Schüler
Dialogisches Lesen
Alltagsintegrierte sprachliche Bildung
Mehrsprachige Unterrichtselemente
Individuelle Mehrsprachigkeit
Erstspracherwerb
Zweitspracherwerb
Fremdspracherwerb
Leseflüssigkeit
Schreibflüssigkeit
Alphabetisierung in Deutsch als Zweitsprache
Sprachsensibler Unterricht
Schreibdidaktik
Leseförderung
Literalität