
Leseförderung
Wie kann man Kindern beim Lesen lernen unterstützen? Wie kann man ihnen Freude am Lesen vermitteln? Welche Strategien sind hilfreich? Antworten auf diese Fragen gibt das Basiswissen zum Thema "Leseförderung", das auch Möglichkeiten aufzeigt, mit denen das flüssige Lesen unterstützt werden kann.
Definition
Der Begriff Leseförderung umfasst Unterstützungsmaßnahmen für Schülerinnen und Schüler zur Entwicklung ihrer Lesekompetenz. Ziel der Leseförderung ist eine altersgerechte Entwicklung der Lesefähigkeit sowie eine damit verbundene Freude am Lesen. Kinder und Jugendliche mit Schwierigkeiten beim Lesen benötigen eine gezielte Leseförderung. Diese kann entweder in den Unterricht integriert werden, etwa durch das Bereitstellen spezieller Aufgaben oder Materialien. Sie kann aber auch zusätzlich erfolgen, z. B. in Kleingruppen. Wenn trotz angemessener schulischer Leseförderung anhaltend große Schwierigkeiten beim Lesen lernen auftreten, kann eine Legasthenie vorliegen: Legasthenie beschreibt eine Lese- und Rechtschreibstörung, bei der erblich bedingt oder durch äußere Einflüsse eine Schädigung von Teilfunktionen des zentralen Nervensystems vorliegt. Dadurch kommt es trotz normaler Begabung und Schulbesuch zu anhaltenden Schwierigkeiten beim Lesen und Schreiben lernen (Schulte-Körne & Remschmidt, 2003). Dieser Befund sollte medizinisch und psychologisch abgesichert werden. Die Lerntherapie ist Aufgabe von Sonderpädagoginnen und -pädagogen, Sprachtherapeutinnen und -therapeuten oder Logopädinnen und Logopäden.
Eine systematische Erhebung, welche Maßnahmen bzw. Konzepte zur Förderung der Lesefähigkeit in der Praxis eingesetzt werden, fehlt bislang. Einzelne Konzepte bzw. Trainings zur Förderung des Lesens und deren Wirksamkeit wurden allerdings empirisch untersucht. Auf diese wird im Folgenden genauer eingegangen.
Vorläuferfähigkeiten fördern: reimen, Silben klatschen, Laute identifizieren
Die Förderung der sogenannten Vorläuferfähigkeiten des Schriftspracherwerbs, wie z. B. reimen, Silben klatschen oder einzelne Laute identifizieren (phonologische Bewusstheit), hilft dabei, Lernende an den Schriftspracherwerb heranzuführen. Für das spätere Lesen ist eine gute Ausbildung der Vorläuferfähigkeiten zu Beginn des Schriftspracherwerbs eine wichtige Grundlage. Insbesondere schwächere Kinder profitieren von Trainingsprogrammen. Ein evaluiertes Konzept liegt beispielsweise mit dem Würzburger Trainingsprogramm (Küspert & Schneider, 2008) vor. Die Aufmerksamkeit der Kinder wird hier auf die Laute der Sprache gerichtet. Verschiedene Übungsaufgaben, wie reimen, Silben klatschen und Laute identifizieren, führen zu einem verbesserten Verständnis der Laut-Buchstabenbeziehungen und dadurch zu einer Steigerung der Lese- und Schreibkompetenzen (Ehri, Nunes, Willows, Schuster, Yaghoub-Zadeh & Shanahan,2001).
Leseflüssigkeit fördern: Lautlesetandems, wiederholendes Lesen, Echolesen, Lückenlesen
Im weiteren Verlauf des Schriftspracherwerbs muss das Lesen automatisiert werden, weil dadurch das Arbeitsgedächtnis weniger belastet wird. Das Arbeitsgedächtnis ermöglicht uns, Informationen vorübergehend zu speichern und gleichzeitig zu verarbeiten. Es wird zum Beispiel benötigt, um einen Satz inhaltlich zu verstehen – sodass man sich am Ende noch an dessen Anfang erinnern kann. Das flüssige Lesen gehört zu den sogenannten Basiskompetenzen. Deren Förderung führt zu einem besseren Textverständnis, denn grundsätzlich ermöglicht das flüssige Lesen, mehr Aufmerksamkeit auf das Verstehen des Gelesenen zu richten. Leseflüssigkeitstrainings sind erwiesenermaßen wirksam (Philipp, 2012). Alle Übungen zu Leseflüssigkeitstrainings basieren auf dem Prinzip des lauten und wiederholten Lesens und sind vergleichbar effektiv. So werden beispielsweise Lautlesetandems eingesetzt. Dabei liest die Klasse gemeinsam im Chor oder die Lehrkraft liest laut vor und die Klasse liest gleichermaßen im Echo nach.
Beim wiederholenden Lesen lesen die Schülerinnen und Schüler einem Tutor bzw. einer Tutorin (z. B. einem anderen Schüler oder einer anderen Schülerin) einen kurzen, für sie mittelschweren Text so lange laut vor, bis sie eine zuvor festgelegte Flüssigkeit (= Textmenge/Zeit) erreicht haben. Durch Wiederholung lernen schwache Leserinnen und Leser einerseits neue Buchstaben- und Wortkombinationen, andererseits vergrößern sie ihren Wortschatz. Für die nächste Übung wählt die Lehrkraft je nach Erfolg einfachere oder schwierigere Texte.
Beim Echolesen lesen Schülerinnen und Schüler und der Tutor oder die Tutorin die Texte zeitlich verzögert. Beim Lückenlesen setzt der Tutor bzw. die Tutorin an bestimmten Stellen aus und die Schülerin oder der Schüler übernimmt die laute Lektüre (Rosebrock, Nix, Rieckmann & Gold, 2011).
Bei fortschreitender Entwicklung der Lesekompetenz nimmt in der Regel der Bedarf an Förderung von Basisfertigkeiten ab, weil diese immer automatisierter und routinierter ablaufen. Für schwächere Schülerinnen und Schüler bleibt das Training der Leseflüssigkeit aber weiterhin wichtig.
Lesestrategien fördern: unterstreichen, Texte zusammenfassen, schwierige Passagen wiederholen und langsamer lesen
Ab der weiterführenden Schule nehmen Fördermaßnahmen an Bedeutung zu, die voraussetzen, dass Schülerinnen und Schüler in der Lage sind, über ihr eigenes Lesen nachzudenken (metakognitive Prozesse) und es selbst zu regulieren (z. B. Welches Wort verstehe ich nicht? Welchen Abschnitt muss ich noch einmal langsam und genau lesen?). Besonders hervorzuheben sind Trainings zu Lesestrategien. Sie helfen der Leserin und dem Leser, die in einem Text enthaltenen Informationen zu erschließen. Evaluierte Fördertrainings liegen beispielsweise mit den „Textdetektiven“ (Gold, Rühl, Souvignier, Mokhlesgerami & Buick, 2011) und den „Lesedetektiven“ (Rühl & Souvignier, 2006) vor.
Die Verwendung von Lesestrategien führt nachweislich ebenfalls zu einem besseren Textverständnis (Philipp, 2012). Lesestrategien müssen sorgfältig und explizit eingeführt, geübt und immer wieder aufgegriffen werden. Dabei ist es von Vorteil, wenn die Lehrkraft – von lautem Denken begleitet – den Schülerinnen und Schülern vormacht, was diese tun sollen. Lesestrategien werden ihrer Funktion nach in kognitive und metakognitive Strategien unterteilt. Kognitive Strategien zielen auf die Organisation der Information (z. B. das (schriftliche) Zusammenfassen eines Textes oder das Unterstreichen wichtiger Textstellen). Metakognitive Strategien, also das Nachdenken über das eigene Lesen, steuern und organisieren es. Dazu gehört etwa, schwierige Textpassagen langsamer oder wiederholt zu lesen.
Das Basiswissen Leseförderung als Download
Autorin
Dr. Simone Jambor-Fahlen
Dieser Text darf, unter Einhaltung der gängigen Zitierregeln und mit Angabe der Quelle, gern weiterverwendet werden: Jambor-Fahlen, Simone (2018). Leseförderung. Köln: Mercator-Institut für Sprachförderung und Deutsch als Zweitsprache (Basiswissen sprachliche Bildung).
Literatur
Gold, Andreas; Rühl, Katja; Souvignier, Elmar; Mokhlesgerami, Judith & Buick, Stephanie (2011). Wir werden Textdetektive: Lehrermanual. [eBook]. Göttingen: Vandenhoeck & Ruprecht.
Küspert, Petra & Schneider, Wolfgang (2008). Hören, lauschen, lernen: Sprachspiele für Kinder im Vorschulalter Würzburger Trainingsprogramm zur Vorbereitung auf den Erwerb der Schriftsprache (6. Auflage). Göttingen: Vandenhoeck & Ruprecht.
Philipp, Maik (Hrsg.). (2012). Selbstreguliertes Lesen. Ein Überblick über wirksame Leseförderansätze. Seelze: Klett Kallmeyer.
Rosebrock, Cornelia; Nix, Daniel; Rieckmann, Carola & Gold, Andreas (2011). Leseflüssigkeit fördern. Lautleseverfahren für die Primar- und Sekundarstufe. Seelze: Klett Kallmeyer.
Rühl, Katja & Souvignier, Elmar (2006). Wir werden Lesedetektive-Lehrermanual & Arbeitsheft. Göttingen: Vandenhoeck & Ruprecht.
Schulte-Körne, Gerd & Remschmidt, Helmut (2003). Legasthenie Symptomatik, Diagnostik, Ursachen, Verlauf und Behandlung. Deutsches Ärzteblatt, 100 (7), 133-138.>
Weiterführende Literatur / Informationen
Informationsplattform zu Leseförderung auf dem deutschen Bildungsserver
Projekt „NaWiText Textverstehen in den naturwissenschaftlichen Schulfächern“
Bereits erschienen: Basiswissen sprachliche Bildung
Neu zugewanderte Schülerinnen und Schüler
Sprachtransfer
Dialogisches Lesen
Alltagsintegrierte sprachliche Bildung
Mehrsprachige Unterrichtselemente
Individuelle Mehrsprachigkeit
Erstspracherwerb
Zweitspracherwerb
Fremdspracherwerb
Leseflüssigkeit
Schreibflüssigkeit
Alphabetisierung in Deutsch als Zweitsprache
Sprachsensibler Unterricht
Schreibdidaktik
Literalität