31.03.2016
Bericht

Lehrkräfte an beruflichen Schulen auf den Unterricht mit neu Zugewanderten vorbereiten

„Die aktuellen Erfahrungen sind ein Katalysator für Innovationsprozesse in der Beruflichen Bildung“. Mit diesen Worten fasste German Denneborg, Abteilungsleiter im Bayerischen Staatsministerium für Bildung und Kultus, Wissenschaft und Kunst (StMBW) seinen Eröffnungsbeitrag zum Fachsymposium „Qualifizierung von Lehrkräften für die Beschulung von Seiteneinsteigern in der Beruflichen Bildung“ zusammen. 37 Teilnehmerinnen und Teilnehmer aus der Schulverwaltung waren am 15. Januar der Einladung der Ludwig-Maximilians-Universität München (LMU) und der Technischen Universität München (TUM) gefolgt, um zu diskutieren, wie Lehrkräfte an beruflichen Schulen für den Unterricht neu zugewanderter Schülerinnen und Schüler vorbereitet werden können.

Der rapide gestiegene und weiter steigende Zuzug von Asylbewerberinnen und -bewerbern angesichts der weltweiten Brennpunkte stellt Gesellschaft, Wirtschaft und Bildungssystem vor große Herausforderungen. Das gilt auch für das berufliche Ausbildungssystem und in verstärktem Maße für neu zugewanderte und meist geflüchtete Jugendliche mit geringen Deutschkenntnissen. Es gibt bisher nur wenige Lehrkräfte, die für diese speziellen Herausforderungen ausgebildet sind. Gleichzeitig fordert die Wirtschaft Konzepte zur Behebung des Fachkräftemangels und zur Verbesserung der beruflichen Qualifizierung der Azubis ein. Um die drängenden Aspekte im Bereich der sprachlichen Bildung allgemein und besonders für neu Zugewanderte in die berufliche Bildung zu integrieren, ist ein enger Austausch zwischen Wissenschaft und Bildungsadministration gefragt. Aus diesem Grund hatte das Institut für Deutsch als Fremdsprache der LMU mit der TUM School of Education mit der Unterstützung des Mercator-Instituts für Sprachförderung und Deutsch als Zweitsprache Vertreterinnen und Vertreter von Bildungsministerien und Wissenschaft zum fachlichen Austausch nach München eingeladen. Im Mittelpunkt standen Lehr-/Lernkonzepte und Qualifikationsmaßnahmen für den Unterricht in Seiteneinsteigerklassen an beruflichen Schulen.

Bayern hat in den vergangenen drei Jahren ein integratives handlungsorientiertes Unterrichtskonzept eingeführt, das Kommunikation und Wertschätzung von Differenz in den Mittelpunkt eines jeden Unterrichts stellt. Dies beinhaltet die Einführung eines innovativen Deutschlehrplans, der in enger Verzahnung mit den Fachlehrplänen umgesetzt wird, sowie sprachsensibler Unterrichtsmaterialien für neun Berufsfelder im Rahmen eines flächendeckenden Weiterbildungsangebots. Letzteres soll zielgerichtet unterschiedliche Möglichkeiten der Zertifizierung beinhalten und in Blended-Learning Formaten durchgeführt werden. Auch für den Vorbereitungsdienst und die Fortbildung besteht ein großer Bedarf an sprachdidaktischer Professionalisierung.

In der Hochschulphase bieten die TUM und das Institut für DaF an der LMU gemeinsam den Teilstudiengang Sprache und Kommunikation Deutsch (SKD) an. Parallel soll zeitnah ein Basisqualifizierungsangebot in Form eines Pflichtmoduls Sprache, Differenz und Kommunikation eigeführt werden. An der TUM soll ein solches Modul für das Lehramt an beruflichen Schulen bereits ab Wintersemester 2016/17 starten. Gleichzeitig sollen die Module für den Vorbereitungsdienst an die Veränderungen im Lehramtsstudium angepasst werden.

Auch in Berlin wird eine phasenübergreifende Professionalisierung in allen drei Phasen der Lehrkräftebildung angestrebt. Dort gibt es bereits seit 2007 für alle Lehramtsstudierende obligatorische Module Deutsch als Zweitsprache im Bachelor und im Master. In Folge eines neuen Lehrerbildungsgesetzes wird das Angebot zurzeit inhaltlich und im Umfang erweitert. Ergänzend werden Inhalte ins Praxissemester und in die Fachdidaktik integriert. Zudem können sich Studierende zukünftig im Rahmen von Wahlmodulen vertiefte Kenntnisse aneignen. Die Lehrkräftefortbildung für berufliche Schulen profitiert im Bereich der integrierten Sprachbildung von der Vorarbeit des SPAS-Projektes des Sven Walter Instituts, durch das von 2006 bis 2015 Lehrkräfte fortgebildet und Unterrichtskonzepte entwickelt wurden, seit 2013 im Rahmen der AG Neuzuwanderung auch hinsichtlich einer Beschulung von Seiteneinsteigern. Neben der Einrichtung einer Klärungsstelle und der Erstellung von berufsfeldorientierten Handreichungen zu Sprachförderung und Lernstandserfassung werden in Berlin bedarfsgerechte Fortbildungen und Beratung der Lehrkräfte angeboten sowie an einer Vernetzung von Schulen, Senat, Kammern, Verbänden, Bildungsträgern, Migrantenvereine und Universitäten gewährleistet.

Niedersachsen strebt eine Qualifizierung von Lehrkräften für die Vermittlung von Themen wie Mehrsprachigkeit, Sprache im Fach, sprachliche Diagnostik und Methoden eines sprachsensiblen Unterrichts im Lehramtsstudium über die Fachdidaktik an. Wie dies in der Beruflichen Bildung erfolgt, wurde am Beispiel eines integrativen Konzepts zur Ausbildung von Lehrkräften für sozialpädagogische Berufe aufgezeigt. Gerade in diesen Berufsfeldern wird in naher Zukunft ein größerer Anteil an neu zugewanderten Schülerinnen und Schülern erwartet.

In Hamburg wird zurzeit nach der erfolgreichen Pilotierung das Projekt Ausbildungsvorbereitung für Migrantinnen und Migranten (AvM-Dual) flächendeckend implementiert. Es umfasst ein dualisiertes Bildungsangebot in Schule und Betrieb, das engmaschig von Mentorinnen und Mentoren begleitet wird. Aus den Erfahrungen, die dort bereits gesammelt werden, erhoffen sich die anderen Bundesländer wichtige Impulse zur Gestaltung der Ausbildungsangebote, die nach Absolvierung der berufsschulvorbereitenden Maßnahmen für Seiteneinsteiger bereitgestellt werden müssen.

Mit diesem Blick in die Länder und dem Austausch mit den geladenen Experten identifizierten die Teilnehmerinnen und Teilnehmer bundeslandübergreifend Schnittstellen und zukünftige gemeinsame Aktionsbereiche:

  • Konzeption von Bildungsscreenings zur Passung der Zuordnung in Vorbereitungsklassen, Ausbildungsangeboten und -betrieben
  • Entwicklung von Angeboten für die Begleitung der Ausbildung bzw. deren Anpassung durch curriculare Veränderungen
  • Flexible, anerkennbare Angebote der Weiterqualifizierung für Deutsch- und Fachlehrkräfte
  • Weiterbildungen für Schulleitungen und Fachbereichsleiter
  • Einrichtung von Coaching- und Supervisionsangeboten
  • Erschließung neuer Berufsfelder im sozialpädagogischen Bereich (z. B. Mentor für Azubis, Integrationsbegleiter)
  • Entwicklung valider Qualitätssicherungskonzepte.

Insgesamt wurde auch die Notwendigkeit einer engen Zusammenarbeit mit Politik (Ressourcen für Lehrkräfte, Räume, Weiterbildung und Universitäten) und Wirtschaft (Ausbildungsbetriebe und Zertifizierung) hervorgehoben. „Die Möglichkeiten von Ehrenamt und Kommunen reichen für eine nachhaltige Integration von Seiteneinsteigern in Arbeitsmarkt und Gesellschaft nicht aus“, so Jörg Roche, Leiter des Projekts ‚Bildungssprache Deutsch für berufliche Schulen‘, am Ende der Veranstaltung.

Autorin:
Dr. Elisabetta Terrasi-Haufe ist wissenschaftliche Mitarbeiterin am Institut für Deutsch als Fremdsprache der LMU München und koordiniert das Projekt Bildungssprache Deutsch für Berufliche Schulen, das vom Mercator-Institut für Sprachförderung und Deutsch als Zweitsprache unterstützt wird. Ziel des Projektes ist die Entwicklung und Pilotierung innovativer, interkulturell sensibler Unterrichtskonzepte für die fachübergreifende Sprachbildung an beruflichen Schulen und in der Lehrerbildung.

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