
Sprachliches Lernen digital: Informationen recherchieren und bewerten
Der Internetrecherche kommt eine wachsende Bedeutung zu. Was bei Rechercheaufträge zu beachten ist – das zeigt diese Handreichung der Reihe "Unterricht und sprachliches Lernen digital" des Mercator-Institut. Darin finden Lehrkräfte zahlreiche Tipps und praktische Tools.
Das selbstständige Recherchieren von Informationen durch Schülerinnen und Schüler stellt ein wichtiges Instrument in (außer-)unterrichtlichen Lehr-Lernprozessen dar. Dabei kommt der Internetrecherche aufgrund der Vielzahl und leichten Zugänglichkeit der Quellen eine wachsende Bedeutung zu. Diese Handreichung zeigt auf, was bei Rechercheaufträgen zu beachten ist: vorbereitend eine präzise Fragestellung zu entwickeln, daraus passende Suchbegriffe für den Algorithmus herzuleiten und anschließend die Ergebnisse nach Relevanz und Glaubwürdigkeit zu bewerten.
Hintergrund: Unterricht mit digitalen Medien organisieren
Unterricht ist zu allen Zeiten ein in hohem Maße sprachlich-kommunikatives Geschehen. Die sprachlichen Fähigkeiten der Schülerinnen und Schüler und die Kommunikationsmöglichkeiten sind daher zwei zentrale Voraussetzungen für gelingende Lernprozesse. Der Wegfall des Präsenzunterrichts – und damit die Möglichkeit zur unmittelbaren mündlichen Kommunikation (face-to-face) – während der Schulschließungen hat das drastisch vor Augen geführt. Auch im kommenden Schuljahr ist davon auszugehen, dass es neben dem Präsenzunterricht Formen des Distanzlernens, also des Lernens zu Hause, geben wird (vgl. Friedrich-Ebert-Stiftung, 2020). Lehrkräfte müssen den Unterricht so organisieren, dass Schülerinnen und Schüler auch zu Hause sinnvolle, didaktisch gute Aufgaben bearbeiten. Wenn Kinder und Jugendliche Lerninhalte zu Hause erledigen, ist es hilfreich, zu Beginn ihren Zeitbedarf zu erheben. So kann die Lehrkraft für künftige Aufgaben realistisch einschätzen, wie viele Aufgaben in welcher Zeit bearbeitet werden können.
Für die Organisation des Unterrichts bieten sich digitale Medien an: für die Kommunikation der Lehrkraft mit den Schülerinnen und Schülern sowie die Kommunikation der Lernenden untereinander, das selbstständige Recherchieren, Nutzen und Bewerten von Informationen, die Nutzung und Förderung individueller Mehrsprachigkeit sowie das sprachsensible Unterrichten.
Didaktische Einordnung
Für das fachliche Lernen stehen grundsätzlich mehrere Typen von Informationsquellen zur Verfügung. Neben dem klassischen Schulbuch und dem Input durch Lehrkräfte, etwa in einem Vortrag, sind dies heute vor allem Internetquellen. Diese unterscheiden sich in einem zentralen Punkt von Schulbüchern und traditionellen Lehrmedien. Letztere durchlaufen systematisch eine Qualitätssicherung: angefangen bei der Auswahl der Autorinnen und Autoren über die Redaktion eines Verlags bis hin zur Zulassung durch die Schulbehörde. Es gibt Angebote im Internet, die diesen Kriterien entsprechen, etwa auf den Lernservern der Länder und der Verlage, bei anderen öffentlich-rechtlichen Einrichtungen wie den Rundfunkanstalten ARD und ZDF, Hochschulen und ähnlichen Einrichtungen.
Bei vielen Internetquellen fehlt jedoch eine solche systematische Qualitätssicherung, was insbesondere für junge Lernerinnen und Lerner nicht immer leicht zu erkennen ist. Aus diesem Grund ist es aus pädagogisch-didaktischer Perspektive zentral, dass Lehrkräfte Rechercheaufträge immer auch mit der Bewertung der genutzten Quellen verbinden.
Für die Unterrichtsplanung sind die Kompetenzbereiche der Strategie Bildung in der digitalen Welt der Kultusministerkonferenz (KMK) (Ständige Konferenz der Kultusminister der Länder in der Bundesrepublik Deutschland, 2016) hilfreich. Im Kompetenzbereich Suchen, Verarbeiten und Aufbewahren sind drei Aufgaben zu bewältigen, nämlich Suchen und Filtern, Auswerten und Bewerten sowie Speichern und Abrufen.
Suchen und Filtern
Dazu gehören das Identifizieren und Festlegen des eigenen Suchinteresses, also eine präzise Frage zu formulieren, was gesucht werden soll. Anschließend folgt die Entwicklung von Suchstrategien. Damit sind Suchbegriffe und Suchanweisungen gemeint, die Lernende dann in passende Suchmaschinen eingeben. Und schließlich müssen sie aus den Suchergebnissen die relevanten Quellen identifizieren und zusammenführen.
Auswerten und Bewerten
Die zweite Aufgabe besteht darin, die ermittelten Quellen und Informationen zu analysieren und kritisch zu bewerten, d. h. auf ihre Glaubwürdigkeit hin zu überprüfen. Dies geschieht etwa anhand von Angaben über die Verantwortlichen für die Website.
Speichern und Abrufen
Die dritte und letzte Aufgabe stellt angesichts der Menge möglicher Suchergebnisse eine eigene komplexe Aufgabe dar. Dazu gehören zum einen Bedienfertigkeiten, etwa Inhalte von Internetseiten in geeigneten Formaten zu speichern. Zum anderen zählt hierzu aber auch das systematische Ablegen in einer Ordnerstruktur, die ein einfaches Wiederfinden erlaubt. Die Lernenden müssen also passende Namen für Ordner und Dateien finden, was z. B. das Arbeiten mit Ober- und Unterbegriffen erfordert.
Methodische Umsetzung
Die didaktischen Überlegungen zeigen, dass die Vor- und Nachbereitung von Suchanfragen die eigentliche Lernaufgabe darstellt. Das Eingeben von Suchbegriffen in eine Suchmaschine ist dabei nur ein scheinbar einfacher Bedienschritt. Die didaktisch bedeutsamen kognitiven und sprachlichen Herausforderungen bzw. Lerngelegenheiten stellen die Überlegungen zum eigenen Suchinteresse dar („Was will ich wissen?“), die Auswahl und Formulierung der Suchbegriffe („Wie kann ich das ausdrücken?“) sowie die Bewertung der Ergebnisse („Was beantwortet meine Frage verlässlich?“). Daraus folgt methodisch für den Unterricht, dass Rechercheaufträge an Schülerinnen und Schüler grundsätzlich mehrere Schritte enthalten müssen und sich nicht auf die Anweisung beschränken dürfen, „im Internet nach Informationen zum Thema XY zu suchen und einen Text dazu zu verfassen“. Beim Einsatz digitaler Suchmaschinen im Unterricht sollten Lehrkräfte die folgenden Hinweise beachten:
Suchmaschine auswählen
Für die Grundschule und frühe Sekundarstufe bieten sich die werbefreien Seiten Blinde-Kuh oder fragFINN an. Diese Suchmaschinen speziell für Kinder blockieren aus Sicht des Kinder- und Jugendschutzes ungeeignete Seiten. Ältere Schülerinnen und Schüler können andere Suchmaschinen wie Google, Bing, Qwant oder DuckDuckGo nutzen. Eine Übersicht über Suchmaschinen findet sich auf Wikipedia.
Präzise Fragestellung formulieren
Für jede Suchanfrage ist es aus ökologischen Gründen (jede Anfrage kostet Energie – hier empfiehlt sich etwa mit Ecosia eine nachhaltige alternative Suchmaschine) und ökonomischen Gründen wichtig, zu Beginn das eigene Suchinteresse möglichst genau einzugrenzen. So wird vermieden, dass zu viele Resultate erscheinen. Sollen sich Schülerinnen und Schüler über Hunde informieren, müssen sie das Thema eingrenzen: Soll es um „Hunde als Haustiere“, um „Blindenhunde“ oder um „Biologische Eigenschaften und Abstammung der Hunde“ gehen? Als methodisches Instrument bietet es sich an, dass Schülerinnen und Schüler grundsätzlich vor jeder Suchanfrage ihr Interesse in einer präzisen Frage formulieren und schriftlich notieren, z. B.: „Eignen sich Hunde als Haustiere in einer Stadtwohnung?“ oder „Worin unterscheiden sich Hund und Wolf genetisch?“.
Suchanweisungen formulieren
Beim Ausfüllen des Suchfeldes ist es hilfreich, die Logik von Suchmaschinen zu kennen, d. h. die elementare Funktionsweise der dahinter liegenden Algorithmen zu verstehen. Grundlegend ist die Unterscheidung von „und“, „oder“ sowie „nicht“ (Boolesche Operatoren). Werden zwei Suchbegriffe mit „und“ verbunden, werden nur Seiten angezeigt, die beide Begriffe enthalten. Wird etwa „Hund und Katze“ eingegeben, erscheinen lediglich Seiten, die sowohl den Ausdruck „Hund“ als auch „Katze“ enthalten. Bei „Hund oder Katze“ werden alle Seiten angezeigt, die entweder den Ausdruck „Hund“ oder „Katze“ umfassen. Möchten Suchende Seiten ausschließen, in denen es nur um Hunde und nicht um Katzen geht, tippen sie „Hund nicht Katze“ ein. Sinnvoll ist die Funktion von Platzhaltern wie beispielsweise das Sternchen *. Dieses sorgt dafür, dass bei der Suche nach „H*nd*“ auch alle Seiten präsentiert werden, auf denen der Ausdruck „Hündinnen“ vorkommt. Allerdings nutzen Suchmaschinen Platzhalter unterschiedlich, so dass es ratsam ist, sich in den erweiterten Suchoptionen der jeweiligen Suchmaschine zu informieren. Ergibt die Suchabfrage zu viele oder zu wenige Ergebnisse, können Schülerinnen und Schüler die Abfrage modifizieren, indem sie mehr oder weniger Begriffe eingeben. In einigen Suchmaschinen funktionieren diese Operatoren nur in den erweiterten Einstellungen. Eine mit Beispielen illustrierte Erläuterung der Suchlogik findet sich auf der Seite Blinde Kuh, weitere Lernmodule auf den Seiten zum Medienkompetenzrahmen NRW und dem Angebot internet-abc der Landesmedienanstalten.
Suchergebnisse bewerten
Eine Herausforderung stellt die Auswahl und Bewertung der angezeigten Resultate dar, also das Finden der relevanten Ergebnisse. Hier kommt als erstes die eigene Fragestellung ins Spiel. Schülerinnen und Schüler können sie nutzen, um zu prüfen, ob die Ergebnisse diese wirklich beantworten. Das verhindert außerdem, dass sie sich in der Vielzahl der für die Fragestellung irrelevanten, aber vielleicht dennoch interessanten Links verlieren. In einem zweiten Schritt sollten Lernende schauen, ob die angezeigten Ergebnisse vertrauenswürdig sind. Solche Seiten zeichnen sich u. a. dadurch aus, dass sie ein Impressum haben, sodass erkenntlich ist, wer für die Seite verantwortlich ist. Außerdem sind auf solchen Seiten Quellen für die Informationen angegeben. Eine weitere Möglichkeit, die Vertrauenswürdigkeit zu prüfen, besteht in einem Vergleich mit anderen Seiten. Es ist eine wichtige Aufgabe der Lehrkräfte, immer wieder die Vertrauenswürdigkeit von Internetquellen gemeinsam mit ihren Schülerinnen und Schülern zu reflektieren. Hinweise hierzu finden sich auf der Seite von klicksafe, die u. a. Landesmedienanstalten betreiben.
Mehrsprachigkeit nutzen
Mehrsprachige Schülerinnen und Schüler können die Suchanfragen in verschiedenen Sprachen durchführen. Die (unterschiedlichen) Ergebnisse sind auf zweifache Weise nutzbar: Zum einen können sich Schülerinnen und Schüler in ihrer Herkunfts- oder einer schulischen Fremdsprache mit den Ergebnissen auseinandersetzen. Zum anderen können sie die Informationen in unterschiedlichen, verschiedensprachlichen Ergebnissen vergleichen und überlegen, wodurch die Abweichungen hervorgerufen werden. So können Schülerinnen und Schüler untereinander oder mit der Lehrkraft diskutieren, ob das an der anderen Sprache, an den bereitgestellten Informationen oder weiteren Gründen liegt (→ Handreichung Mehrsprachigkeit gezielt nutzen und fördern).
Quellen
Friedrich-Ebert-Stiftung (2020). Schule in Zeiten der Pandemie: Empfehlungen für das Schuljahr 2020/21. Verfügbar unter: https://www.fes.de/themenportal-bildung-arbeit-digitalisierung/artikelseite/ergebnisse-der-kommission-schuljahr-2020-21 (abgerufen am 24.07.2020).
Ständige Konferenz der Kultusminister der Länder in der Bundesrepublik Deutschland (Hrsg.). (2016). Bildung in der digitalen Welt. Strategie der Kultusministerkonferenz. Berlin. (abgerufen am 24.07.2020)
Impressum
Die Handreichungen Unterricht und sprachliches Lernen digital sind das Ergebnis einer Arbeitsgruppe am Mercator-Institut für Sprachförderung und Deutsch als Zweitsprache, die sich mit den Anforderungen an sprachliche Bildung in der digitalisierten Welt während und nach der Corona-Pandemie beschäftigt hat. Mitglieder der Arbeitsgruppe (in alphabetischer Reihenfolge) sind: Prof. Dr. Michael Becker-Mrotzek, Ilka Huesmann, Michaela Mörs, Dr. Till Woerfel.
Diese Publikation darf, unter Einhaltung der gängigen Zitierregeln und mit Angabe der Quelle, gern weiterverwendet werden: Becker-Mrotzek, Michael (2020): Unterricht mit digitalen Medien organisieren. Informationen recherchieren und bewerten. Köln: Mercator-Institut für Sprachförderung und Deutsch als Zweitsprache.
© 2020 Mercator-Institut für Sprachförderung und Deutsch als Zweitsprache
Autor: Michael Becker-Mrotzek
Redaktion: Ilka Huesmann, Michaela Mörs, Anna Niewerth, Till Woerfel
www.mercator-institut-sprachfoerderung.de
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