12.09.2022
Bericht

Sprachliche Förderung im Übergang vom Elementarbereich zum Primarbereich. Bericht und Materialien zum Online-Praxisworkshop

Wie kann sprachliche Bildung im Übergang vom Elementar- zum Primarbereich gelingen? Welche Rolle spielt dabei die Zusammenarbeit zwischen Kita und Schule und wie lässt sich diese Kooperation aufbauen? Diese und weitere Fragen standen im Mittelpunkt eines Workshops auf der neunten Jahrestagung des Mercator-Instituts im Juni 2022.

Um Kinder beim Erwerb bildungssprachlicher Fähigkeiten – im Sinne einer durchgängigen Sprachbildung – zu unterstützen, ist ein systematisches und kooperatives Gesamtkonzept nötig, das unterschiedliche Akteurinnen und Akteure aus Kitas und Grundschulen sowie Eltern und externe Partnerinnen und Partner einbezieht. Die Kooperationspraxis am Übergang vom Elementar- zum Primarbereich ist jedoch aus den unterschiedlichsten Gründen noch wenig ausgeprägt. Dies ist unter anderem auf strukturelle Schwierigkeiten in der Ausgestaltung kooperativer Strukturen und Prozesse oder Vorbehalte zwischen pädagogischen Fach- und Lehrkräften zurückzuführen. Im Fokus dieses Praxisworkshops standen daher die Fragen, inwiefern sprachliche Förderung im Übergang vom Elementar- zum Primarbereich und eine Kooperation zwischen Kita und Schule gelingen können.

Sprachliche Förderung am Übergang von Kita zu Grundschule - Kooperation zwischen Strukturdifferenz und Anschlussfähigkeit

Karin Kämpfe von der Pädagogischen Hochschule Schwäbisch Gmünd zeigte zu Beginn des Workshops wissenschaftliche Erkenntnisse über die Notwendigkeit und die Gelingensbedingungen von Kooperationen zwischen Kita und Grundschule auf. Grundlage des Vortrags war die Evaluationsstudie SPRÜNGE, die zum Ziel hatte, wirksame Formen und Settings der Sprachförderung, Fortbildung und der Kooperation zwischen Kindertageseinrichtungen und Grundschulen herauszuarbeiten. Dazu stellte Karin Kämpfe im ersten Schritt die Ergebnisse zu den Teilfragen der Studie vor, die sich mit den handlungsleitenden Orientierungen der Fach- und Lehrkräfte in Bezug auf gemeinsame Sprachförderung im letzten Kitajahr sowie den berichteten Wirkungen über gemeinsame Fortbildungen befassten. Es konnte rekonstruiert werden, dass pädagogische Fachkräfte und Grundschulkräfte unterschiedliche Herangehensweisen in der Sprachförderung aufweisen, welche sich in vier verschiedenen Sprachfördertypen zusammenfassen lassen: der intuitiv-schematische und der didaktische Sprachfördertyp sind dabei charakteristisch für den Elementarbereich, der versierte sowie der konzeptionell-planvolle Sprachfördertyp lassen sich vorrangig im Grundschulbereich wiederfinden. In einem Vergleich zweier Sprachfördertypen wurde deutlich, dass der didaktische Typ kindzentriert und situationsorientiert im pädagogischen Alltag vorgeht und vorhandene didaktische Materialien individuell und situationsbezogen anpasst. Der versierte Typ hingegen ist eher ergebnisorientiert und passt die sprachförderlichen Maßnahmen konkret an die schulisch gerahmten sprachlichen Lernziele an.

Zum Abschluss diskutierten die Teilnehmerinnen und Teilnehmer, wie Differenzen zwischen den Strukturen und den Selbstpositionierungen der beiden Institutionen berücksichtigt werden können, sodass eine stärkere Kooperation im Sinne einer gemeinsamen – und nicht additiven – Sprachförderpraxis ermöglicht werden und dadurch die Anschlussfähigkeit in der sprachlichen Bildung im Übergang von einer zur anderen Institution gewährleistet werden kann.

Sprachliche Förderung am Übergang am Beispiel von Lernwerkstattarbeit

Als Beispiel aus der Praxis stellten Kathrin Hormann und Laisa Quittkat von der Leibniz Universität Hannover in einem zweiten Vortrag die Grundlagen der Lernwerkstattarbeit sowie ihre Qualitätsmerkmale vor. Im Anschluss präsentierten sie die Anknüpfungspunkte und Potenziale der Methode in Bezug auf die alltagsintegrierte Sprachförderung sowie Beispiele gemeinsamer Lernwerkstätten von Kitas und Grundschulen. In einer Gruppenarbeitsphase diskutierten die Teilnehmenden des Workshops, welche Chancen und Hürden sie in Bezug auf die Lernwerkstattarbeit in der alltagsintegrierten sprachlichen Bildung sehen, welche Aufgaben Fach- und Lehrkräfte haben und welche Ideen für eine konkrete Umsetzung generiert werden können. In der abschließenden Diskussion kamen sie zu dem Ergebnis, dass insbesondere strukturelle Hürden und Rahmenbedingungen bestehen, was unter anderem die praktische Organisation (z. B. Kooperation mit mehreren Einrichtungen) angeht. In diesem Kontext sprachen sie auch über pandemiebedingte Einschränkungen (etwa die Vermischung von Betreuungsgruppen). Es wurde aber auch herausgestellt, dass die Potenziale der gemeinsamen Lernwerkstatt gesehen werden und bei zunächst niederschwelligem Ansetzen, vor allem bei der Annäherung von Fach- und Lehrkräften, auch Möglichkeiten zu deren Umsetzung generiert werden können. Darüber hinaus wurden die Potenziale forschenden Lernens und des Einbeziehens von Mehrsprachigkeit in der frühen Kindheit herausgestellt.

Zum Abschluss der Veranstaltung reflektierten die Teilnehmenden, mit welchen Haltungen Fach- und Lehrkräfte einander, aber auch den Kindern in einer gemeinsamen Lernwerkstatt begegnen bzw. begegnen sollten. Darüber hinaus diskutierten sie, wie eine gemeinsame Planung hinsichtlich kognitiv anregender dialogischer Prozesse (sustained shared thinking) durch Fach- und Lehrkräfte den Raum für gemeinsame Denkprozesse mit Kindern eröffnen kann. Es konnte abschließend herausgestellt werden, dass es besonders relevant ist, Unsicherheiten zunächst auszuhalten, um Kindern das Ausprobieren und kreative Denken zu ermöglichen und anschließend in den Dialog zu treten und Sprechakte zu initiieren, die für die sprachliche Förderung genutzt werden können.

Autorinnen:

Sonja Sieger ist seit 2020 am Mercator-Institut für Sprachförderung und Deutsch als Zweitsprache als wissenschaftliche Mitarbeiterin in der Initiative Transfer von Sprachbildung, Lese- und Schreibförderung (BiSS-Transfer) im Bereich Multiplikation im Transfer tätig.

Dr. Christina Winter ist seit 2017 wissenschaftliche Mitarbeiterin am Mercator-Institut für Sprachförderung und Deutsch als Zweitsprache. Ihre Forschungs- und Arbeitsschwerpunkte sind u. a. Sprachdiagnostik, sprachliche Bildung und pädagogische Professionalisierung unter besonderer Berücksichtigung von Mehrsprachigkeit.