
Schreiben in und mit digitalen Medien
Was versteht man unter dem Schreiben in und mit digitalen Medien? Wie unterscheiden sich digitale Schreibprozesse von analogen? Und wie können Lehrende die digitalen Schreibkompetenzen ihrer Schülerinnen und Schüler fördern? Antworten auf diese Fragen liefert dieses Basiswissen.
Definition
Unter Schreiben in und mit digitalen Medien wird sowohl das Verschriften von Buchstaben und Wörtern als auch die Produktion von Texten im digitalen Raum und unter Nutzung digitaler Instrumente verstanden. In Abgrenzung zum Schreiben mit Stift und Papier bringt das Schreiben in und mit digitalen Medien andere Anforderungen, aber auch neue Möglichkeiten mit sich. Zu ihrer Beschreibung greifen aktuelle Forschungsprojekte immer wieder auf das Wissen zum Schreiben mit Stift und Papier zurück, sodass Anforderungen und Möglichkeiten des digitalen Schreibens stets unter Rückbezug auf das klassische Schreiben beschrieben werden.
Schreiben im analogen und digitalen Setting
Aus der Forschung zum Schreiben mit Stift und Papier ist bekannt, dass beim Verschriften eher basale Fertigkeiten (Motorik, Transkriptions- und Formulierungsflüssigkeit, Rechtschreibung) erforderlich sind, während es zur Textproduktion komplexerer Fähigkeiten (Adressatenorientierung, Herstellung inhaltlicher Zusammenhänge, sprachliche Kreativität) bedarf. All diese Teilkompetenzen müssen Schreibende sowohl im analogen wie im digitalen Schreibprozess miteinander kombinieren und bei der Planung, Formulierung und Überarbeitung ihres Textes zielführend einsetzen. Dabei ist wichtig, dass Schreibprozesse weder im analogen noch im digitalen Setting linear verlaufen. Vielmehr durchlaufen Schreibende den Schreibprozess in Zyklen, d. h. sie planen, formulieren und überarbeiten ihren Text immer wieder und optimieren diesen so lange, bis sie mit der vorliegenden Version zufrieden sind (vgl. Hayes, 2012).
Das digitale Setting, also das Schreiben in und mit digitalen Medien, kann diesen Ablauf begünstigen. Beispielsweise lassen sich Be- und Überarbeitungsschritte wie das Verschieben, Löschen oder Einfügen von Inhalten einfacher und ohne sichtbare Spuren (z. B. Durchstreichen) umsetzen (vgl. Stapleton, 2012). Schreibende tun sich so leichter, verschiedene Ideen zur Gestaltung des Texts auszuprobieren und den Plan und die Formulierungen kontinuierlich zu verbessern.
Der komplexe Prozess der Textproduktion beansprucht kognitive Ressourcen, etwa Aufmerksamkeit und Arbeitsgedächtniskapazitäten. Da insbesondere Letztere begrenzt sind, hilft es Schreibenden im analogen wie digitalen Setting, wenn die basalen Prozesse des Verschriftens automatisiert (sozusagen aus dem „Effeff“) erfolgen. Die geübte Nutzung einer Tastatur kann dabei besonders entlastend wirken, da ein Tastenanschlag motorisch einfacher auszuführen ist als das Verschriften eines Buchstabens. Zusätzlich können Ideen schneller verschriftlicht werden und müssen weniger lange im Arbeitsgedächtnis behalten bleiben. Durch die erhöhte Schreibflüssigkeit stehen Schreibenden mehr kognitive Kapazitäten für komplexe Tätigkeiten (z. B. die adressatengerechte Formulierung von Inhalten) zur Verfügung. Die Entlastung der Handmuskulatur führt zudem dazu, dass sie längere Texte verfassen können (vgl. Bulut, 2019; Reble, Meyer, Fleckenstein & Köller, 2020).
Das Verfassen von Texten erfolgt darüber hinaus nicht nur mit digitalen Mitteln, sondern geschieht auch im digitalen Raum. Die veränderten Bedingungen führen auch zu neuen Textsorten: Digitale Texte in Form von Blogs, Wikis oder Foren haben oft eine ausgeprägte kommunikative Funktion und richten sich an eine authentische Leserschaft. Das macht sie für schulische Schreibaufgaben attraktiv, weil sie es Schülerinnen und Schülern ermöglichen, das Schreiben von Texten als eine im Kern sozial-kommunikative Handlung zu erleben. Denn dieser Aspekt fehlt vielen Schreibaufgaben. Authentische Kommunikationssituationen helfen Schreibenden, ihr Schreibziel genauer zu fassen, die Inhalte an der Leserschaft zu orientieren und passende Formulierungen zu finden.
Digitale Schreibkompetenz im Unterricht fördern
Die Möglichkeiten des digitalen Schreibens können Lehrende im Unterricht dann nutzen, wenn die Schülerinnen und Schüler die nötigen sprachlich-digitalen Voraussetzungen mitbringen. Fehlen grundlegende Kenntnisse wie die Nutzung der Tastatur oder eines Textverarbeitungsprogramms, kann die Nutzung digitaler Tools die Aufmerksamkeit vom eigentlichen Schreibprozess abziehen (vgl. Simpson & Walsh, 2014). Schreiben in digitalen Settings muss daher didaktisch vorbereitet werden, indem die erforderlichen Bedienfertigkeiten und Kenntnisse vermittelt werden („Computer-Führerschein“). Die folgende Auswahl stellt einige Möglichkeiten zur Nutzung digitaler Medien beim Schreiben dar:
Sogenannte Tools (z. B. Rechtschreibkorrektur, Synonymwörterbücher) sind je nach verwendeter Software in diese integriert und somit niederschwellig zugänglich. Die Rechtschreibkorrektur sensibilisiert Schreibende für die Orthographie und hilft, Rechtschreibfehler zu korrigieren. Im digitalen Schreibsetting lassen sich zudem über Lernplattformen Planungshilfen, Schreibrahmen, Formulierungsbausteine sowie Checklisten und Überarbeitungspläne bereitstellen. Mittels dieser Methoden können Schreibende durch einzelne Phasen des Schreibprozesses geleitet und beim Übersetzen ihrer Ideen in passende Formulierungen unterstützt werden. Ein weiterer Vorteil ist, dass der digitale Raum viele Arten des kollaborativen Arbeitens ermöglicht: Mithilfe von Kommentarfunktion und Nachverfolgungsmodus (u. a. in Textverarbeitungsprogrammen) können Lernende Feedback zu Texten der (Mit-)Schülerinnen und -schüler geben. Darüber hinaus bieten kollaborative Textdokumente die Möglichkeit, dass mehrere Personen in Echtzeit einen Text gemeinsam verfassen.
Weiterführende didaktische Hinweise gibt die Handreichung Bildungssprachliche Kompetenzen in allen Fächern mit digitalen Medien entwickeln. Schreibkompetenz fördern (Dede, Huesmann & Lemke, 2021).
Das Basiswissen Schreiben in und mit digitalen Medien als Download.
Autorin und Autor:
Ann-Kathrin Hennes & Prof. Dr. Michael Becker-Mrotzek
Diese Publikation darf, unter Einhaltung der gängigen Zitierregeln und mit Angabe der Quelle, gern weiterverwendet werden: Hennes, Ann-Kathrin & Becker-Mrotzek, Michael (2022): Schreiben in und mit digitalen Medien. Köln: Mercator-Institut für Sprachförderung und Deutsch als Zweitsprache (Basiswissen Sprachliche Bildung).
Literatur
Dede, Zoé; Huesmann, Ilka & Lemke, Valerie (2021). Bildungssprachliche Kompetenzen in allen Fächern mit digitalen Medien entwickeln. Schreibkompetenz fördern. Köln: Mercator-Institut für Sprachförderung und Deutsch als Zweitsprache. Verfügbar unter: https://www.mercator-institut-sprachfoerderung.de/fileadmin/Redaktion/PDF/Publikationen/210518_Handreichung_B3_Schreibkompetenz.pdf (abgerufen am 11.11.2022).
Hayes, John R. (2012). Modeling and Remodeling Writing. Written Communication, 29 (3), S. 369–388.
Simpson, Alyson & Walsh, Maureen (2014). Pedagogic conceptualisations for touch pad technologies. Australian Journal of Language & Literacy, 37 (2), S. 128–138.
Stapleton, Paul (2012). Shifting cognitive processes while composing in an electronic environment: A study of L2 graduate writing. Applied Linguistics Review, 3 (1), S. 151–171. https://doi.org/10.1515/applirev-2012-0007.
Reble, Raja; Meyer, Jennifer; Fleckenstein, Johanna & Köller, Olaf (2020). Bildung, Schule, Digitalisierung. In: Kai Kaspar, Michael Becker-Mrotzek, Sandra Hofhues, Johannes König & Daniela Schmeinck (Hrsg.), Am Computer oder handschriftlich schreiben? Untersuchung des Testmodus-Effekts in Deutschaufsätzen der Sekundarstufe I (S. 51–56). Münster: Waxmann.>
Bereits erschienen: Basiswissen sprachliche Bildung
Neu zugewanderte Schülerinnen und Schüler
Dialogisches Lesen
Alltagsintegrierte sprachliche Bildung
Mehrsprachige Unterrichtselemente
Individuelle Mehrsprachigkeit
Erstspracherwerb
Zweitspracherwerb
Fremdspracherwerb
Leseflüssigkeit
Schreibflüssigkeit
Alphabetisierung in Deutsch als Zweitsprache
Sprachsensibler Unterricht
Schreibdidaktik
Leseförderung
Literalität