13.04.2021
Bericht

Qualitätsentwicklung von Unterrichts- kommunikation. Bericht und Materialien zum Symposium

Welche Möglichkeiten bieten die unterschiedlichen Gesprächsformen im Unterricht? Und wie können Lehrkräfte die sprachlichen Kompetenzen erwerben, die sie brauchen, um Unterrichtskommunikation lernförderlich zu gestalten? Im Symposium „Qualitätsentwicklung von Unterrichtskommunikation“ auf der achten Jahrestagung des Mercator-Instituts am 2. März 2021 haben die Referierenden gemeinsam mit den Teilnehmerinnen und Teilnehmern die Antworten auf diese Fragen diskutiert sowie Anforderungen und Potenziale der Unterrichtskommunikation reflektiert.

Unterrichtskommunikation umfasst die Gespräche zwischen Lehrenden und Lernenden sowie den sprachlichen Austausch der Schülerinnen und Schüler untereinander sowohl in lehrer- als auch in schülerzentrierten Phasen.

Wenn die Interaktion der Lehrperson förderliche kommunikative Rahmenbedingungen sicherstellt, hat sie positiven Einfluss auf die fachliche, sprachliche, motivationale und emotionale Entwicklung der Schülerinnen und Schüler. Dies kann die Lehrkraft durch eine effektive Klassenführung, eine klare Strukturierung der Unterrichtseinheiten, das Geben von hilfreichen Rückmeldungen und die Schaffung eines angenehmen Klassenklimas erreichen.

Im Schulalltag kommt es häufig vor, dass strukturierte Unterrichtsgespräche, in denen der Redeanteil der Lehrperson groß ist, den Schülerinnen und Schülern wenig Raum für kognitiv anspruchsvolle Aktivitäten und Wortbeiträge lassen. Trotzdem bietet auch diese Kommunikationsform Potenziale, die es zu nutzen gilt. Prof. Dr. Christine Pauli weist auf Forschungsergebnisse amerikanischer Wissenschaftlerinnen hin: „Ihre Analysen zeigen, dass Lehrpersonen, denen es gelingt, ihrem Klassengespräch einen stärker dialogischen und ko-konstruktiven Charakter zu geben, die Schülerbeiträge keineswegs nur evaluieren, sondern auf vielfältige Weise aufgreifen, erweitern, akzentuieren und zum Ausgangspunkt weiterer Überlegungen der Beitragenden selbst und der ganzen Klasse machen.“ (Pauli, 2010, S. 149).

Ertragreich ist Unterricht vor allem dann, wenn es der Lehrperson gelingt, die Schülerinnen und Schüler kognitiv zu aktivieren, das heißt, sie in vielfältiger Weise zum vertieften fachlichen Nachdenken über den Unterrichtsinhalt anzuregen. „Sie konfrontiert die Lernenden mit herausfordernden Aufgabenstellungen, provoziert kognitive Konflikte, hebt Unterschiede in Ideen und Positionen hervor, regt die Lernenden an, sich aufeinander zu beziehen und initiiert Gelegenheiten, um über den eigenen Lernprozess nachzudenken. Ein solches Lehrerverhalten setzt fachdidaktisches Wissen und Können und eine hohe Flexibilität im Denken voraus.“ (Lipowsky, 2007, S. 28).

Lernen durch Unterrichtsgespräche - Befunde der Forschung und Impulse für eine verbesserte Praxis

Der erste Referent des Symposiums, Prof. Dr. Frank Lipowsky von der Universität Kassel, stellte in seinem Vortrag zentrale Befunde der Forschung zu einer fruchtbaren Interaktion in Unterrichtsgesprächen vor. Ihm zufolge ist bei vielen Unterrichtsgesprächen die Partizipation der Schülerinnen und Schüler an der didaktischen Kommunikation quantitativ und qualitativ begrenzt und das Ausmaß kognitiver Aktivierung häufig gering ausgeprägt. Ein echter Diskurs, ein transaktiver Austausch über Argumente und Positionen sowie ein wechselseitiger Bezug der Schülerinnen und Schüler untereinander sind demzufolge kaum festzustellen. Dabei verweist die Forschung auf das erhebliche Potenzial, das von Unterrichtsgesprächen ausgehen kann: Revoicing, Accountable Talk, Thoughtful Discourse und Dialogic Teaching sind nur einige der Schlüsselbegriffe, unter denen innovativere und erfolgversprechendere Konzepte der didaktischen Kommunikation in Unterrichtsgesprächen diskutiert und erforscht werden.

Unterrichtsgespräche lernförderlich gestalten lernen

Prof. Dr. Christine Pauli von der Universität Fribourg stellte im ihrem Vortrag die Untersuchung einer Weiterbildungsmaßnahme vor, bei der Lehrpersonen ihr Gesprächsverhalten im Unterricht verbessern konnten. Laut Pauli haben qualitativ hochwertige Unterrichtsgespräche das Potenzial, sowohl den Aufbau von gründlich verstandenem Fachwissen und fachnahen Argumentations- und Denkformen als auch den Erwerb überfachlicher Kompetenzen wie Dialogfähigkeit, aktives Zuhören oder adressatengerechtes Sprechen zu fördern. Solche Gespräche im Unterricht zu verwirklichen stellt allerdings hohe Anforderungen an Lehrpersonen sowie Schülerinnen und Schüler, denn sie erfordern von beiden Seiten mehrdimensionale Veränderungen des habitualisierten Unterrichts- und Gesprächsverhaltens. Pädagogisch-didaktische Gesprächskonzepte wie z. B. Accountable Talk zielen darauf ab, solche Veränderungen zu unterstützen, u. a. indem sie handlungsnahe Gesprächswerkzeuge zur Verfügung stellen, die sowohl kommunikative als auch fachlich-inhaltliche Gesprächsaspekte fokussieren.

Wie dies in der Praxis funktionieren kann, wurde im Vortrag am Beispiel der Interventionsstudie Socrates 2.0 diskutiert. Kern dieser Studie, an der sich neun Mathematik- und Geschichtslehrpersonen der Sekundarstufe I beteiligten, bildete ein einjähriges Weiterbildungsangebot. Das kombinierte ein fachdidaktisch differenziertes Gesprächswerkzeug mit videobasierten Coaching-Zyklen. Vor, während und nach der Weiterbildung wurden bei allen Teilnehmerinnen und Teilnehmern Unterrichtsgespräche auf Video aufgezeichnet, was eine prozessbezogene Analyse der Entwicklungsverläufe ermöglicht. Im Ergebnis zeigte sich, dass mit diesem relativ aufwendigen Verfahren eine Verbesserung der Interaktion erreicht werden konnte.

Autoren:

Prof. Dr. Michael Becker-Mrotzek ist Professor für deutsche Sprache und ihre Didaktik an der Universität zu Köln und Direktor des Mercator-Instituts. Seine Forschungsschwerpunkte sind Schreibforschung und Schreibdidaktik, Gesprächsforschung und Gesprächsdidaktik sowie Unterrichtsentwicklung.

Dr. Peter Weber ist teilabgeordneter Lehrer am Mercator-Institut und für das Unterstützungsangebot Sprachliche Bildung in mehrsprachigen Klassen zuständig, das sich an Grundschullehrkräfte im Regierungsbezirk Köln wendet.