
Nutzung digitaler Medien in der (Aus- und) Fortbildung von Lehrkräften – Zeitgemäß oder modischer Hype?: Bericht und Materialien zum Fachgespräch
Die Möglichkeiten, die die Digitalisierung bietet, werden zunehmend auch in der Aus- und Fortbildung von Lehrkräften genutzt. Zum Einsatz kommen dabei sowohl verschiedene digitale Medien als auch unterschiedliche Formate – vom Online-Seminar zur multimedial gestalteten Lerneinheit, vom reinen E-Learning zum tutoriell begleiteten Blended Learning. Wie aber lassen sich Faktoren, die sich in der Forschung als wirksam für Fortbildungen von Lehrkräften erwiesen haben, in digital gestützten Formaten einbinden? Welche Potenziale, aber auch welche Herausforderungen zeigen sich bei der Entwicklung und Durchführung? Und wie können Aus- sowie Fortbildnerinnen und -bildner diesen Aufgaben begegnen?
Im Fachgespräch Nutzung digitaler Medien in der (Aus- und) Fortbildung von Lehrkräften erfolgte in vier Impulsbeiträgen mit Beispielen aus der Aus- und Fortbildungspraxis eine Annäherung an diese Fragen. Im Anschluss diskutierten die Vortragenden mit den Teilnehmenden aus Wissenschaft, Bildungsverwaltung und Fortbildungspraxis.
Virtuelle Hospitationen, Webinare und Blended-Learning-Angebote in der Lehrerfortbildung
Prof. Dr. Tabea Becker und Benjamin Haag vom Deutschen Seminar der Leibniz Universität Hannover zeigten in ihrem Vortrag, wie E-Learning in der Ausbildung von Lehrkräften eingesetzt wird. Die Virtuelle Hospitation, die im Rahmen der Qualitätsoffensive Lehrerbildung eingeführt wurde, ermöglicht anhand von authentischen Unterrichtsvideos vertiefte Einblicke in die unterrichtliche Praxis. Die Studierenden analysieren dabei Lehr- und Lernsituationen mithilfe zusätzlicher Begleitmaterialien aus pädagogischer und fachdidaktischer Perspektive. Ihre Erkenntnisse wenden sie im Anschluss praktisch an, indem sie beispielsweise konkreten Unterricht planen oder Lernangebote überarbeiten. Über eine Lernplattform können sie zudem Feedback von Peers oder Lehrenden einholen und dadurch die eigenen Unterrichtsplanungen reflektieren und überarbeiten.
Dr. Simone Jambor-Fahlen, die am Mercator-Institut für Sprachförderung und Deutsch als Zweitsprache der Universität zu Köln tätig ist, stellte in ihrem Impulsbeitrag das Online-Seminar Orthographie lehren und lernen vor. Mit diesem Angebot können sich Grundschullehrkräfte in der Orthographievermittlung qualifizieren und für den kompetenten Umgang mit verschiedenen Methoden und Konzepten schulen lassen. Die Fortbildungsreihe – bestehend aus fünf Sitzungen – ist am Mercator-Institut entwickelt und in Schleswig-Holstein, Hamburg und Baden-Württemberg durchgeführt worden.
Katja Winter vom Germanistischen Institut der Westfälischen Wilhelms-Universität Münster präsentierte am Beispiel des Kurses Durchgängige Leseförderung die Chancen und Grenzen von Blended-Learning-Fortbildungen. Der Kurs wurde im Rahmen der Bund-Länder-Initiative Bildung durch Sprache und Schrift entwickelt und kombiniert E-Learning-Anteile mit dem Lernen in Präsenzveranstaltungen. Während der Onlinephasen bearbeiten die Teilnehmenden bis zu 27 multimedial aufbereitete Kurseinheiten. Zudem wird die Kommunikation zwischen den Teilnehmenden in Chats und Foren angeregt.
Uta Hartwig, Mitarbeiterin am Institut für Qualitätsentwicklung an Schulen in Schleswig-Holstein, berichtete schließlich über verschiedene, digital gestützte Fortbildungsmaßnahmen, die sich in den vergangenen Jahren an Lehrkräfte sowie an Fortbildnerinnen und Fortbildner in Schleswig-Holstein gerichten haben. Dazu zählen unter anderem Webinare sowie Einheiten aus dem Blended-Learning-Angebot von BiSS. In den Fortbildungsmaßnahmen wurden die Onlinephasen zumeist von Präsenzveranstaltungen flankiert und mit Unterrichtshospitationen kombiniert.
Chancen und Herausforderungen digitaler Fortbildungsangebote
Mit großer Übereinstimmung kamen die Vortragenden wie auch die Teilnehmenden zu dem Ergebnis, dass digitale Fortbildungsformate zahlreiche Chancen und Vorteilen bieten: Die Inhalte lassen sich abwechslungsreich und multimedial gestalten, zudem kann das Lernen durch die Beobachtung von praxisnahen Situationen erfolgen. Die reduzierte Zeit- und Ortsgebundenheit des Lernens während der Onlinephasen sowie die Möglichkeiten, den eigenen Lernprozess stärker selber zu steuern, kommt den Bedarfen erwachsener Lernerinnen und Lerner entgegen. Zudem können Fortbildende und Lehrende an Universitäten durch bereitgestellte Materialien und die Einbindung von Peer-Feedback-Prozessen entlastet werden.
Jedoch bringen die neuen Formate auch Herausforderungen mit sich: So sind Entwicklungsprozesse – im Hinblick auf die benötigte Zeit sowie auf personelle und finanzielle Ausstattung – äußerst ressourcenintensiv; mit der Festlegung auf eine Software ist zudem eine gewisse Technikabhängigkeit verbunden. Zudem gilt Medienkompetenz – auf Seiten der Teilnehmerinnen und Teilnehmer, aber vor allem auch auf Seiten der Fortbildenden – als eine wichtige Voraussetzung für den Erfolg von digital unterstützten Qualifizierungen. Fortbildnerinnen und Fortbildner müssen darüber hinaus über Kompetenzen verfügen, speziell auf digitale Fortbildungsformate abgestimmte didaktische Konzeptionen zu entwickeln. Da sich die Initiierung von Kommunikations- und Kooperationsprozessen in den Praxisbeispielen aus den Implusbeiträgen mitunter als schwierig erwiesen hat, beinhaltet dies auch Entscheidungen darüber, wie stark Lehrende individuelle wie auch gruppenbezogene Lernprozesse während der Onlinephasen steuern möchten. Und letztlich garantiert das Absolvieren einer Fortbildung noch keine dauerhafte Anwendung des Gelernten in der Praxis. Wichtig ist, die Teilnehmenden über die reine Qualifizierungszeit hinaus zu beraten und zu begleiten. Ferner kann die Einbindung der Fortbildung in Schulentwicklungsprozesse einen Transfer in die Praxis begünstigen.
Nachhaltigkeit von Fortbildungen sichern
Um das vorhandene Potenzial digital gestützter Fortbildungsformate also weiter entfalten und eine nachhaltige Nutzung der Materialien, die unter hohem Aufwand entwickelt wurden, gewährleisten zu können, ist es – darin bestand im Fachgespräch Einigkeit – entscheidend,
- beständige Strukturen für einen gelingenden Wissenstransfer aufzubauen,
- weitere Fortbildungsangebote und Vernetzungsmöglichkeiten für Fortbildende zu schaffen sowie
- Lernende intensiv tutoriell zu begleiten. Dies beinhaltet auch die Unterstützung bei technischen Schwierigkeiten und dem Praxistransfer.
Autorin: Michaela Mörs ist wissenschaftliche Mitarbeiterin am Mercator-Institut für Sprachförderung und Deutsch als Zweitsprache. Dort ist sie in der Bund-Länder-Initiative Bildung durch Sprache und Schrift (BiSS) für den Bereich Blended-Learning-Fortbildungen mit dem Schwerpunkt Sekundarstufe verantwortlich.
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Deutsch als Zweitsprache und Interkulturelle Bildung – eine Basis für erfolgreiche Bildungsarbeit
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