
„Es ist wichtig, nicht nur Rezepte für sprachliche Bildung vorzugeben. Wir versetzen die Teilnehmenden in die Lage, ihr Wissen zu transferieren.“
Das sagt Ina-Maria Maahs über das "Weiterbildungsstudium Deutsch als Zweitsprache", für das sich Interessierte noch bis zum 15. Juli bewerben können. Im Interview spricht sie unter anderem über die Relevanz des Angebots, die verschiedenen Modelle und die Besonderheiten des Weiterbildungsstudiums an der Universität zu Köln.
Das Weiterbildungsstudium Deutsch als Zweitsprache gibt es seit 2016. Ziel ist es, (angehende) Lehrkräfte an Schulen sowie in der Erwachsenenbildung auf den Unterricht von Deutsch als Zweitsprache und die sprachsensible pädagogische Arbeit vorzubereiten. Warum ist ein solches Angebot notwendig, zumal das DaZ-Modul für Studierende aller Lehrämter und Fächer verpflichtend ist?
Wir merken derzeit, dass der Unterricht von Deutsch als Zweitsprache durch die vielen Geflüchteten aus der Ukraine wieder vermehrt auf die bildungspolitische Agenda rückt. Der Bedarf an sprachsensiblem Unterricht, der Förderung von Deutsch als Zweitsprache und sprachlicher Bildung insgesamt bestand aber auch schon vorher. Es ist und bleibt eine Daueraufgabe. Daher ist es wichtig, langfristige Strukturen aufzubauen, statt immer wieder ad hoc auf aktuelle gesellschaftliche Situationen zu reagieren.
In einer globalisierten Gesellschaft wird es beispielsweise aus ganz unterschiedlichen Gründen beständig Bedarf an sprachsensiblem Unterricht in Schulen und alltags- sowie berufsorientierenden Sprachkursen für Erwachsene geben. Erst elaborierte Sprachkenntnisse ermöglichen eine gesellschaftliche Teilhabe und um diese entwickeln zu können, reichen einzelne Förderstunden nicht aus. Sprachliche Bildung ist als Gemeinschaftsaufgabe zu verstehen. Das bedeutet, dass wir eine sprachsensible Entwicklung der gesamten Bildungsinstitution brauchen – auch darauf werden die Teilnehmenden im Weiterbildungsstudium Deutsch als Zweitsprache vorbereitet.
Wir setzen dabei auf die Vermittlung eines umfassenden wissenschaftlich fundierten Basiswissens, das mit praxisorientierten Transferaufgaben verbunden wird. So können die Teilnehmenden die erworbenen Kompetenzen in unterschiedlichen Settings anwenden. Das ist in der Form nicht durch die bereits etablierten Anteile von Deutsch als Zweitsprache im Lehramtsstudium oder rein methodisch orientierte Fortbildungen zu erreichen, die häufig für die Erwachsenenbildung angeboten werden.
An wen richtet sich das Angebot konkret?
Das Modell DaZ KOMPAKT richtet sich an examinierte Lehrkräfte aller Schulformen und aller Fächer, die Schülerinnen und Schüler unterrichten, die gerade Deutsch als Zweitsprache erwerben, oder andere Bedarfe sehen, ihren Fachunterricht sprachsensibler zu gestalten. Ziel ist es, die Lehrkräfte dabei zu unterstützen, ein Lehr-Lern-Setting zu schaffen, in dem alle Schülerinnen und Schüler den (fachlichen) Inhalten sprachlich gut folgen können.
DaZ INTENSIV hat zwei Zielgruppen, die den Profilen Schule und Erwachsenenbildung entsprechen. Im Profil Schule adressieren wir wie in DaZ KOMPAKT Lehrkräfte für Regelschulen. Sie sollten jedoch die Motivation und Zeit haben, sich thematisch noch intensiver mit dem Unterricht von Deutsch als Zweitsprache und einer sprachsensiblen Schulentwicklung zu beschäftigen. Typischerweise sind das Personen, die in einer Willkommensklasse arbeiten oder die Funktion einer Sprachkoordinatorin oder eines -koordinators an ihrer Schule einnehmen möchten. Das können auch angehende Lehrkräfte sein, also Studierende im Master, die bereits während des Studiums mit Blick auf eine spätere Berufstätigkeit einen entsprechenden Schwerpunkt in ihrem Profil setzen möchten.
In der Erwachsenenbildung sind es angehende oder bereits praktizierende Erwachsenenbildnerinnen und -bildner, die z. B. an Sprachschulen Integrations- oder andere Sprachkurse anbieten. Zum Teil sind das auch Personen, die daran interessiert sind, Deutsch als Fremdsprache im Ausland zu unterrichten.
Warum gibt es zwei Modelle und worin unterscheiden sie sich?
Der größte Unterschied liegt im Umfang bzw. dem zeitlichen Aufwand, den die Teilnehmenden investieren können und wollen. DaZ KOMPAKT umfasst 6 Leistungspunkte, läuft insgesamt nur über ein Semester und lässt sich mit fünf Präsenzterminen am Wochenende auch für Lehrkräfte in der Praxis gut berufsbegleitend realisieren. DaZ INTENSIV hat einen Umfang von 30 Leistungspunkten und läuft über zwei Semester mit jeweils zwei Blockveranstaltungen pro Woche. Das ist eher wie ein Teilzeitstudium zu betrachten.
Sehr viele Themen, die wir in DaZ INTENSIV innerhalb eines Jahres behandeln, thematisieren wir auch in DaZ KOMPAKT, aber in einer ganz anderen Intensität. Während wir uns in DaZ INTENSIV z. B. die Freiheit nehmen, ein Semester lang über Spracherwerb und Sprachdiagnostik nachzudenken sowie verschiedene Verfahren dafür kennenzulernen, können wir dafür in DaZ KOMPAKT nur einen Nachmittag investieren. DaZ KOMPAKT bietet eine Austauschplattform für Lehrkräfte, die bereits Praxiserfahrungen haben, und eignet sich als Sensibilisierung für spezifische didaktische Aspekte in diesem Themenbereich. Im Gegensatz dazu ist bei DaZ INTENSIV ein sehr viel tieferes Eintauchen in das Thema möglich. Es befähigt die Teilnehmenden zudem über den eigenen Unterricht hinaus Sprachbeauftragte bzw. -beauftragter an Schulen zu werden oder eine koordinative Funktion bei einem Träger für die Erwachsenenbildung zu übernehmen.
Wie hat sich das Weiterbildungsstudium im Laufe der vergangenen Jahre entwickelt?
Bei DaZ KOMPAKT haben wir im Verlauf der vergangenen Jahre unterschiedliche Schwerpunkte ausprobiert. Anfangs lag der Schwerpunkt vor allem auf dem Unterricht von neu zugewanderten Schülerinnen und Schülern. Wir hatten aber auch mal ein Angebot, dass sich ausschließlich auf die Arbeit am Berufskolleg bezogen hat, an denen es zu dieser Zeit eine besonders hohe Zahl an neu Zugewanderten gab. Aktuell liegt der Fokus auf dem sprachsensiblen Fachunterricht, also ein Thema, an das Lehrkräfte in vielen Bereichen anknüpfen können.
In Bezug auf DaZ INTENSIV ist zu sagen, dass das Mercator-Institut das Thema Mehrsprachigkeit als Lernvoraussetzungschon immer stark in den Blick genommen hat. Außerdem legen wir großen Wert auf die Sprachdiagnostik, denn eine sprachlich adäquate Förderung funktioniert nur, wenn die Lehrkräfte vorher diagnostizieren, auf welchem Stand die Schülerinnen und Schüler sind.
Für uns ist es wichtig, nicht nur Rezepte für sprachliche Bildung vorzugeben. Wir versetzen die Teilnehmenden in die Lage, ihr Wissen zu transferieren und auf unterschiedliche Kontexte anzuwenden. Sie sollen zum Beispiel verstehen können, warum eine Schülerin oder ein Schüler einen bestimmten linguistischen Fehler macht, um darauf zielgerichtet zu reagieren. Dafür gibt es keine Pauschallösung. Die Teilnehmenden müssen daher so weitergebildet werden, dass sie – anknüpfend an die Kompetenzen ihrer Lernenden – selbstständig auswählen können, welche Methoden und Techniken für welche Zielgruppe gerade geeignet sind.
Das Angebot ist Teil einer NRW-weiten Initiative, an der sich elf lehrerbildende Hochschulen beteiligen. Was ist charakteristisch an dem Weiterbildungsstudium an der Universität zu Köln?
Ein Merkmal des Weiterbildungsstudiums an der Universität zu Köln ist, dass wir sowohl DaZ KOMPAKT als auch DaZ INTENSIV anbieten und Lehrkräfte aus der Schulpraxis wie aus der Erwachsenenbildung adressieren. Am Standort Köln ist außerdem die Vernetzung mit dem für Studierende aller Lehrämter verpflichtenden DaZ-Modul sehr intensiv, was an den meisten anderen Standorten so nicht der Fall ist. Durch die Verankerung am Mercator-Institut bieten sich uns außerdem einzigartige Kooperationsmöglichkeiten mit weiteren Projekten, wie z. B. LehrkräftePLUS. Es sind also sehr kurze Wege und wir können von der großen Expertise im Haus zu verschiedenen Themengebieten der sprachlichen Bildung gegenseitig profitieren. Thematisch sind die sehr mehrsprachigkeitsorientierte Arbeit und die Bedeutsamkeit der Sprachdiagnostik typisch für das Weiterbildungsstudium in Köln, aber auch, dass die interkulturelle Bildung beim Unterricht von Deutsch als Zweitsprache und im generellen Umgang mit Zugewanderten stets mitgedacht wird.
Wie viele Teilnehmerinnen und Teilnehmer haben das Weiterbildungsstudium insgesamt absolviert und was melden sie euch zurück?
In den Jahren 2016/2017 hatten wir aufgrund der starken Migrationsbewegung eine besonders große Anzahl von Bewerbungen. Es existiert aber eine beständig hohe Nachfrage nach den Weiterbildungsplätzen. Bislang lagen immer mehr Bewerbungen vor, als Plätze verfügbar waren. Auch während der Corona-Pandemie ist diese Nachfrage weiter auf einem hohen Niveau geblieben. DaZ INTENSIV werden nach diesem Sommersemester voraussichtlich 158 Teilnehmende erfolgreich abgeschlossen haben. Das Weiterbildungsstudium DaZ KOMPAKT haben insgesamt 277 Teilnehmende absolviert. Viele Teilnehmende melden uns zurück, dass das Angebot sehr wertvoll und prägend für ihre Arbeit ist.
Du hast betont, wie wichtig die Mehrsprachigkeit ist. Haben viele der Teilnehmenden des Weiterbildungsstudiums selbst Deutsch als Zweitsprache erworben?
Ja, das ist tatsächlich der Fall und freut uns sehr. Denn: von ihren Erfahrungen können einsprachig Deutsch aufgewachsene Teilnehmende profitieren können. Wir erachten diese Heterogenität an Perspektiven sowie eine Sprachvielfalt in den Kursen als äußerst fruchtbar.
Dr. Ina-Maria Maahs ist stellvertretende Leiterin der Abteilung Sprache und Profession und Koordinatorin des Weiterbildungsstudiums Deutsch als Zweitsprache. Ihre Arbeitsschwerpunkte liegen in den Bereichen Deutsch als Zweitsprache, Mehrsprachigkeit, Sprachdiagnostik und sprachsensible Gestaltung sozialwissenschaftlichen Unterrichts.
Interview: Helin Sarikas