06.02.2023
Diskussion

„Eine Online-Fortbildungs-veranstaltung ist gleichzeitig eine Schulung in der Handhabung von digitalen Tools“

Die Nachfrage nach Online-Fortbildungen ist seit der Pandemie deutlich gewachsen. Fortbildnerinnen und Fortbildner, die vorher nur Veranstaltungen in Präsenz angeboten haben, mussten sich in digitale Tools einarbeiten und ihre Inhalte an das digitale Lernen anpassen. Grit Brand und Dr. Babett Bentele sind Multiplikatorinnen für die Blended-Learning-Fortbildungen von BiSS-Transfer und haben viel Erfahrung mit Fortbildungen, sowohl als Präsenz- als auch als Online-Format. Sie wissen, dass sich eine analoge Fortbildung nicht einfach in eine digitale übersetzen lässt. Worauf es stattdessen ankommt und welche Kompetenzen Fortbildende dafür brauchen, erläutern sie im Interview.

Als Fortbildnerinnen in BiSS-Transfer haben Sie schon diverse Fortbildungsveranstaltungen in Präsenz durchgeführt und während der Pandemie vor allem digital. Was macht Ihrer Erfahrung nach eine gelungene Fortbildungsveranstaltung aus, unabhängig davon, ob sie online oder in Präsenz stattfindet?

Bentele: Eine gelungene Fortbildungsveranstaltung ist eine, die länger nachwirkt. Das heißt zum einen, dass sie bedarfsorientiert ist und einen Implementierungsprozess initiiert, also eine Fortbildung ist, über die die Lehrkräfte sagen: „Ja, das ist etwas, was für mich wichtig und praxistauglich ist.“ Zum anderen ist eine Fortbildung gelungen, wenn alle zufrieden sind, wenn alle mit einem guten Gefühl nach Hause gehen. Auch das, denke ich, ist ein ganz wichtiger Faktor.

Brandt: Ich finde es auch wichtig, dass man gemeinsam ins Gespräch kommt, dass ein Austausch stattfindet. Die Inhalte sollten nicht nur bei den Teilnehmenden bleiben, sondern in die Kollegien weitergetragen werden. „Nachwirken“ bedeutet in dem Sinne, dass man sich danach nochmal mit den Inhalten beschäftigt und denkt: „Ich habe eine Idee bekommen und gucke, was ich daraus machen kann, wie ich damit umgehen und wie ich die neuen Impulse im Unterricht umsetzen kann.“

Was unterscheidet aus Ihrer Sicht Online- von Präsenzfortbildungen?

Bentele: Es gibt sehr viele Unterschiede und ich denke, es ist ein Trugschluss zu glauben, dass man eine analoge Fortbildung einfach in eine digitale umswitchen kann. Eine Online-Fortbildungsveranstaltung muss ganz anders vorbereitet werden, Zeit spielt eine große Rolle. Eine digitale Veranstaltung kann nicht so lange dauern wie eine analoge, sie muss anders strukturiert werden, es müssen ganz andere innovative Ideen entwickelt werden, um die Teilnehmenden einzubeziehen. Die Beziehungsebene aufzubauen ist digital sehr viel schwieriger und bedarf sehr viel mehr Vorüberlegungen.

Brandt: Es ist ganz wichtig, dass man Inputphasen nicht zu lang gestaltet, sondern durch aktivierende Impulse ablöst und unterbricht.

Bentele: Und ich sage auch immer gerne: Eine digitale Fortbildung ist im Prinzip immer ein Doppeldecker. Es geht da nicht nur um den fachlichen Input, den ich rüberbringen möchte. Eine Online-Fortbildungsveranstaltung ist gleichzeitig eine Schulung in der Handhabung von digitalen Tools. Und wenn ich einen solchen Doppeldecker realisiere, muss ich auch die Zeit dafür einplanen, diese Tools mit den Teilnehmenden auszuprobieren.

Sie haben gerade ein paar Dinge genannt, die Fortbildnerinnen und Fortbildner bei der Planung und Durchführung von Online-Veranstaltungen beachten sollten, aber was ist ganz besonders wichtig? Woran sollte man auf jeden Fall denken?

Brandt: Ich denke, ganz wichtig ist, dass man eine gut durchdachte Zeitplanung hat, strenger als in Präsenz. Dazu gehören viele Pausen.

Bentele: Ich möchte auch für „weniger ist mehr“ plädieren. Digitale Veranstaltungen ermüden und strengen an, daher sollte man gut überlegen, was man alles hineinpackt, sowohl thematisch als auch an Werkzeugen. Das heißt, man sollte wirklich vorher überlegen, welche Struktur, welches Zeitmanagement man hat. Und dann sollte man konkret überlegen, welches Tool Sinn macht und die Kolleginnen und Kollegen weiterbringt. Man sollte nicht nur Tools einsetzen, um zu zeigen, was es alles gibt. Man sollte überlegen: Was können Lehrkräfte auch im Unterricht und im Distanzunterricht verwenden?

Würden Sie sagen, dass die Fortbildenden außer der digitalen Kompetenzen noch zusätzlich weitere Fähigkeiten benötigen, um gute Online-Fortbildungen anzubieten?

Bentele: Ich denke schon. So eine digitale Didaktik und Methodik ist nochmal was anderes. Man muss zum Beispiel überlegen: Wie gelingt es mir auf Distanz, eine Beziehung herzustellen? Es ist also ein Qualifizierungsbedarf da und wenn die Fortbildung nur dazu führt, dass man sicherer und entspannter wird.Und eine Fortbildnerin oder ein Fortbildner, die oder der technisch affin ist und ganz viele Tools kennt, bietet nicht zwangsläufig gute Online-Fortbildungen an, weil das die Lehrkräfte vielleicht auch mal überfordert. Man muss auch üben, einen Perspektivwechsel hinzubekommen, sich in die Teilnehmenden hineinzuversetzen.

Was ist Ihre Prognose, wie es im Bereich Fortbildungen weitergehen wird? Und was wünschen Sie sich?  

Bentele: Auf jeden Fall sollte das, was sich bewährt hat und was wir in den zwei Jahren gelernt haben, nicht wieder in die Versenkung fallen – sprich: ein gesunder Mix aus älteren, bewährten Formaten und digitalen. Ich denke, die Struktur der Blended-Learning-Veranstaltungen ist genau der richtige Weg. Es gibt Präsenzveranstaltung, es gibt Praxisphasen an den Schulen – vielleicht sogar mit kollegialen Unterrichtsbesuchen – und dann gibt es eben die asynchronen Selbstlernmodule, mit denen jeder sich ganz nach eigenen Bedürfnissen beschäftigen kann. Aber eben nicht ohne Tutorierung, nicht ohne Begleitung. Ein begleitetes Online-Lernen kombiniert mit Präsenz- und Praxisphasen, das wäre schon ein guter Weg. Ich denke, wir sind in unserem Land in zaghaften Schritten auf dem Weg, einen guten Mix zu etablieren. Wir haben gemerkt, dass wir durch die Online-Angebote motivieren konnten, Kolleginnen und Kollegen zur Fortbildung bringen konnten, die lange nicht dabei waren, die sagten, dass der Weg zu lang ist und der Aufwand zu groß. Die wollen wir nicht verlieren.

Brandt: Ich hoffe zusätzlich, dass wir auch nicht auf dem Stand, den wir jetzt haben, stehenbleiben, dass wir sagen: „Wir sind jetzt gut, reicht!“ Sondern dass wir als Fortbildende uns selbst motivieren können und auch motiviert werden, uns weiterzuentwickeln, neue Tools kennenlernen, neue Impulse aufnehmen. Ich denke, das wird eine spannende Zeit, wo es einen Widerstreit an sich gibt: Haben wir Gelegenheit an neuen Formaten und neuen Strukturen weiterzudenken oder reicht uns das jetzt?

Grit Brandt ist Referentin am Landesinstitut für Schulqualität und Lehrerbildung Sachsen-Anhalt im Fachbereich Schul- und Unterrichtsentwicklung und Leiterin der Koordinierungs- und Beratungsstelle für Begabtenförderung Sachsen-Anhalt. Sie ist Landeskoordinatorin und Multiplikatorin für Blended-Learning-Fortbildungen in BiSS-Transfer. 

Dr. Babett Bentele ist Referentin am Landesinstitut für Schulqualität und Lehrerbildung Sachsen-Anhalt im Fachbereich Professionalisierung von Lehrkräften mit dem Schwerpunkt DaZ und Sprachbildung. Sie ist Multiplikatorin für Blended-Learning-Fortbildungen im Bereich Sprachbildung und Landeskoordinatorin in BiSS-Transfer.

Interview: Dr. Monika Socha

Für die Veröffentlichung im Themenportal des Mercator-Instituts wurde das vorliegende Interview gekürzt. Das vollständige Interview erscheint Anfang 2023 in der BiSS-Broschüre „Digital lehren und lernen“.