Sprache und Bildungssystem

Dr. Judith Butterworth
Wissenschaftliche Mitarbeiterin
judith.butterworthmercator.uni-koeln.deTelefon: 49 (0) 221-470 5220
Dr. Judith Butterworth ist seit 2016 Wissenschaftliche Mitarbeiterin des Mercator-Instituts für Sprachförderung und Deutsch als Zweitsprache und für die Koordination der Schriftenreihen, die Forschungsdatenbank Lernertexte und die Fachgruppe Sprachliche Bildung für neu zugewanderte Kinder und Jugendliche im Rahmen der Initiative zum Transfer von Sprachbildung, Lese- und Schreibförderung (BiSS-Transfer) zuständig. Von 2016 bis 2023 lag ihr Schwerpunkt in der Arbeit als persönliche Referentin des Direktors Prof. Dr. Michael Becker-Mrotzek.
Vorige Stationen ihrer universitären Laufbahn waren zwei DFG-Projekte zum gesprochenen Deutsch: das Projekt Gesprochener Standard an der Universität Koblenz-Landau und das Verbund-Projekt Sprachvariation in Norddeutschland an der Universität Potsdam. Promoviert wurde sie 2013 durch eine Arbeit zur Redewiedergabe in der Interaktion. Als Zusatzqualifikation zu ihrem Studium der Sprach- und Literaturwissenschaft und Philosophie absolvierte sie 2014 das Weiterbildungsstudium Deutsch als Zweit- und Fremdsprache an der Universität Bonn.
Forschung
DFG-Projekt „Sprachvariation in Norddeutschland“ (2008-2012)
Seit einigen Jahrzenten finden in allen Regionen Norddeutschlands grundlegende Sprachveränderungen statt. Der Gebrauch des Plattdeutschen geht stark zurück, während sich eine norddeutsch geprägte Alltagssprache mit regional unterschiedlichen Merkmalen verbreitet. Über den Verlauf und den aktuellen Stand dieser Entwicklung war bislang wenig bekannt. Ziel des Projekts „Sprachvariation in Norddeutschland“ (SiN) war eine umfassende Bestandsaufnahme zur heutigen Sprachwirklichkeit in diesem Raum zwischen dem Standarddeutschen und den niederdeutschen Basisdialekten inklusive der Dokumentation von Sprachperzeptionsdaten, also heute verbreiteter Meinungen, Einschätzungen und Einstellungen zum Sprachgebrauch. Hierfür wurde ein Korpus gesprochensprachlichen Datenmaterials aufgebaut, das Sprachgebrauchsdaten einerseits und Interviews und Testverfahren zu Sprachbiographien und Spracheinstellungen andererseits umfasst und qualitative und quantitative Analysen ermöglicht. Auf dieser Basis werden Verknüpfungen zwischen konkreter Sprachpraxis, Sprachperzeption, biographisch geprägter sprachbezogener Reflexion und Vorstellungs- wie Einstellungsmustern sichtbar und mit objektsprachlichen Daten in Zusammenhang gebracht.
Dissertationsprojekt „Redewiedergabe in der Interaktion“ (Promotion 2013)
Redewiedergabeverfahren potenzieren das Moment der sozialen Positionierung in der Interaktion. Charaktere, die zum Beispiel in Erzählungen oder Argumentationen zu Wort kommen, werden als Protagonisten und Antagonisten, Täter und Opfer, angeberisch und zurückhaltend konstruiert. Das Bild, das sich Gesprächspartner voneinander machen, wird aber nicht nur durch solche Positionierungen innerhalb der erzählten Welt, sondern auch durch ihre aktuelle Performance als Interaktionsspartner geprägt. All diese Positionierungsaktivitäten stehen in Wechselbeziehung zueinander und können auch aufschlussreiche Spannungsverhältnisse aufweisen.
Ausgehend von einer formalen Beschreibung der verwendeten Mittel und deren korpusanalytischer Operationalisierung zeigen die interaktional-linguistische Sequenzanalysen narrativ-biographisch geprägter Gespräche unter jungen Erwachsenen, wie in der Interaktion soziale Wirklichkeit ko-konstruiert wird, indem konkret oder stereotyp ‚fremde‘ Kontexte aufgerufen und als Kontrastfolie für die eigene Identitätskonstruktion genutzt werden.
DFG-Projekt „Gesprochener Standard“ (2013-2016)
Während für das Geschriebene ein kodifizierter Standard schon lang etabliert ist, fehlt für die gesprochene Sprache ein äquivalenter Orientierungspunkt. Stattdessen dokumentiert sich in vielen Deutschlehrwerken eine latente Schriftorientierung, welche die empirischen und theoretischen Erkenntnisse der Gesprochenen-Sprache-Forschung und der Medialitätsforschung in den meisten Fällen noch nicht umgesetzt haben. Um diese Lücke zu schließen, wurde im Projekt aufgrund empirischer Daten aus formelleren Kommunikationssituationen - politischen Abendtalkshows sowie Unterrichtskommunikation - ein de facto-Gebrauchsstandard der mündlichen Interaktion empirisch rekonstruiert. Grammatische Analysen der auftretenden, typisch gesprochensprachlichen Konstruktionen einerseits und die gesprächsanalytische Untersuchung von funktionalem Code-Shifting und Korrekturverhalten andererseits bilden die komplementären, methodischen Pfeiler dieser Rekonstruktion. Die Ergebnisse dienen unter anderem als Basis für die Entwicklung von Unterrichtsmaterial zur gesprochenen Sprache für den muttersprachlichen und den zweit- und fremdsprachlichen Deutschunterricht.
Akademischer und beruflicher Werdegang
Seit 2016
Wissenschaftliche Mitarbeiterin am Mercator-Institut für Sprachförderung und Deutsch als Zweitsprache
2013-2016
Wissenschaftliche Mitarbeiterin an der Universität Landau, DFG-Projekt „Gesprochener Standard. Linguistische Untersuchung zum gesprochenen Deutsch mit Blick auf die Sprachdidaktik“
2014
Weiterbildungsstudium „Deutsch als Zweit- und Fremdsprache“ an der Universität Bonn
2013
Promotion zum Thema „Redewiedergabeverfahren in der Interaktion“ an der Universität Potsdam
2008 – 2012
Wissenschaftliche Mitarbeiterin an der Universität Potsdam, DFG-Projekt „Sprachvariation in Norddeutschland“
2000 - 2006
Studium der Deutschen Sprache und älteren deutschen Literatur, Neueren deutschen Literatur und Philosophie an der Universität Bonn (M.A.)
Lehre
Wintersemester 2020/21:
Mündliche Kommunikation – Analytische Perspektiven und didaktische Überlegungen
Vergangene Semester:
Geschichte der deutschen Sprache
Transkription und Analyse gesprochener Sprache
Publikationen
Becker-Mrotzek, Michael & Butterworth, Judith (2021): Lehrkräftefortbildungen zu Unterrichtskommunikation und Gesprächskompetenz. Wissenschaftlich erarbeitete Modellfortbildungen und das derzeitige Fortbildungsangebot der Länder. Köln: Mercator-Institut für Sprachförderung und Deutsch als Zweitsprache.
Schneider, J., Butterworth, J./ Hahn, N. (2018): Gesprochener Standard in syntaktischer Perspektive. Theoretische Grundlagen – Empirie – didaktische Konsequenzen. Stauffenburg.
Schneider, J. / Butterworth, J./ Hahn, N. (2018): Gesprochener Standard, da gibt es viel zu zu sagen. In: Albert, Georg und Sabine Diao-Klaeger (Hrsg.): Mündlicher Sprachgebrauch zwischen Normorientierung und pragmatischen Spielräumen. Tübingen: Stauffenburg.
Becker-Mrotzek, M./ Butterworth, J. (2018): Qualitätsbestimmende Faktoren bei der Implementierung von (Sprach-)Förderkonzepten. In: Hasselhorn, Marcus et al. (Hrsg.): Bildung durch Sprache und Schrift. Band 2: BiSS-Basics: Umsetzung und Überprüfung von Konzepten zur Förderung von Sprache und Schriftsprache. 46-64.
Butterworth, J. (2015): Redewiedergabeverfahren in der Interaktion. Individuelle Variation bei der Verwendung einer kommunikativen Ressource. Heidelberg: Winter. (= Reihe Sprache – Literatur und Geschichte. Studien zur Linguistik/Germanistik, Band 47).
Butterworth, J. / Gessinger, J. (2015): Salienz als dynamisches interaktionales Konstrukt – Theoretische und methodische Aspekte. In: Elmentaler, Hundt et. al.. Deutsche Dialekte. Konzepte, Probleme, Handlungsfelder. Akten des 4. Kongresses der Internationalen Gesellschaft für Dialektologie des Deutschen (IGDD). Stuttgart: Steiner (= Beiheft der ZDL).
Butterworth, J. / Glawe, M. (2011): „Wir sprechen hier an und für sich reinrassiges Hochdeutsch“ – Zur Erforschung der subjektiven Seite von Sprachverwendung. In: Ganswindt, Brigitte / Purschke, Christoph (Hgg.). Perspektiven der Variationslinguistik. Beiträge aus dem Forum Sprachvariation. Hildesheim u. a.: Olms, 371-391. (= Germanistische Linguistik 216-217).
Vorträge
03/2016 „Zum Verhältnis von ‚Operator-Skopus-Strukturen‘ und Diskursmarker-Konstruktionen“, gemeinsamer Vortrag mit Jan Georg Schneider und Nadine Hahn im Rahmen der 19. Arbeitstagung zur Gesprächsforschung in Mannheim
09/2015 „Redewiedergabeverfahren in der Interaktion“, Posterpräsentation im Rahmen der Sektionentagung der Gesellschaft für angewandte Linguistik in Frankfurt/ Oder
12/2013 „Das Projekt ‚Gesprochener Standard‘“, Vortrag im Rahmen der Tagung „Gesprochene-Sprache-Forschung und Sprachdidaktik“ an der Universität Landau
02/2013 „Redewiedergabeverfahren in der Interaktion", Vortrag im Rahmen des Workshops zur linguistischen Kommunikationsforschung an der Universität Potsdam
07/2012 „Gestaltungsvarianten von Redewiedergabesequenzen im Gespräch“, Vortrag im Rahmen des Nachwuchs-Netzwerks Gesprächsforschung an der Universität Bern
03/2012 „Dialoginszenierung in Alltagsgesprächen“, Vortrag im Rahmen des Lehrstuhlkolloquiums "Sprachvariation – synchrone & diachrone Perspektiven" an der Universität Münster
02/2012 „Prosodisch-stimmliche Verfahren bei der Redewiedergabe“, Vortrag im Rahmen des Kolloquiums zur linguistischen Kommunikationsforschung an der Universität Potsdam
01/2012 „Prosodisch-stimmliche Verfahren bei der Redewiedergabe“, Vortrag im Rahmen des Forschungskolloquiums „Migration und Minderheiten“ an der Universität Frankfurt/Oder
01/2012 „Sprachvariation in Norddeutschland“, gemeinsamer Gastvortrag mit Mark Hillebrand im Rahmen des sprachwissenschaftlichen Seminars von Horst Simon, Freie Universität Berlin
08/2010 „Sprachwahrnehmungs- und Spracheinstellungsdaten“, Vortrag im Rahmen der 3. Tagung des Forums Sprachvariation an der Universität Erlangen
09/2010 „Redewiedergabestile in der deutschen Alltagssprache“, Vortrag im Rahmen des Workshops „Sprache und Individuum“ an der Christian-Albrechts-Universität zu Kiel
09/2009 „Gebrochene Identifikation mit der eigenen Alltagssprache? Parallelen und Gegensätze zwischen Brandenburg und Westfalen“, gemeinsamer Vortrag mit Meike Glawe im Rahmen des 3. Kongresses der IGDD an der Universität Zürich
05/2009 „Redewiedergabemuster in der deutschen Alltagssprache“, Vortrag im Rahmen der Vorlesungsreihe „Varianz und Invarianz“ an der Universität Potsdam